Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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den meisten Menschen nur „leichte Gliederschmerzen" und „bald vorüber 
gehende Mattigkeit", bei einigen noch eine „leichte Temperaturerhöhung bis zu 
38° C. oder wenig darüber" eintreten sollen. Ebenso gering sollen nach 
Koch die Wirkungen auf kranke Menschen sein, vorausgesetzt, daß sie „nicht 
tuberkulös sind." (Man sieht, auch kranke Menschen sind zu dem Versuche her 
angezogen worden.) 
Kindern im Alter von 3—5 Jahren hat er ein Zehntel jener Dosis, also 
9,001 ccm, sehr schwächlichen Kindern nur 0,0005 ccm (‘/ 2 Zehntausendstel) 
gegeben und damit eine krä ftige, aber nicht besorgniserregende Reaktion 
erhalten. (Man sieht, der Menschenversuch ist in voll-m Gange!) 
Koch schreivt seinem Mittel eine „spezifische (d. h. hier ausschließ 
liche) Wirkung auf tuberkulöse Krankheitsvorgänge" zu, „welcher Art sie 
auch sein mögen!" (Dem widerspricht Schnitzler entschieden; ebenso Kaposi. S. u. 3.) 
Bei Lupus beschreibt Koch die örtlichen Vorgänge eingehend: der Herd 
des fressenden Ausschlages soll sich in „Borke" verwandeln, welche nach zwei 
bis drei Wochen abfallen und mitunter schon nach einmaliger Einspritzung eine 
glatte rote Narbe hinterlassen." Koch einstehlt dann den Beginn der Versuche mit 
„Lupuskranken"/) weil sie besonders geeignet seien, die „spezifische" (eigenartige) 
Wirkung des Mittels klar zu stellen. Weniger frappant (schlagend) sei die 
Wirkung auf örtliche Tuberkulose in den Lymphdrüsen, Knochen und 
Gelenken. Bei den inneren Organen entziehe sich die Reaktion der 
Beobachtung, wenn man nicht etwa vermehrten Husten und Auswurf 
der Lungenkranken nach den ersten Einspritzungen auf eine örtliche Reak 
tion beziehen will". Die Allgemeinerscheinungen sollen vorherrschen (d. h. 
Fieber, Schüttelfrost u. s. w.). 
Koch hebt dann den diagnostischen Wert seines Mittels hervor, 
nennt es als solches „unentbehrlich", indem es versteckte Tuberkulose 
durch deren „Reaktion" aufdecke, und meint, „in scheinbar abgelaufenen 
Fällen von Lungen- und Gelenktuberkulose wird sich feststellen lassen, 
ob nicht doch noch einzelne Herde vorhanden sind, von denen aus die Krank 
heit wie von einem unter Asche glimmenden Funken später von neuem um 
sich greifen könnte." (Wir werden sehen, wie andere Forscher: Professor Schnitzler, 
Professor Semmola*) **) diesen diagnostischen Wert als gänzlich irrig erkennen, 
während eine deutsche Autoriiät, Professor von Bergmann, sich durch gläubige Annahme 
dieses diagnostischen Wertes in unlösbar« Widersprüche verwickelt!) 
Koch schildert dann die Erscheinungen bei Anwendung seines Mittels 
gegen Lupus und sagt: „Das Mittel tötet also, um es nochmals zu wieder 
holen, nicht die Tuberkel-Bazillen, sondern das tuberkulöse Gewebe". 
Er fügt hinzu: „In solchen toten Gewebsmassen können dann immerhin noch 
lebe nde Tuberkelvazillen lagern, welche entweder mit dem nekrotischen (bran 
digen) Gewebe ausgestoßen werden, möglicher Weise aber auch unter be 
sonderen Verhältnissen in das benachbarte noch lebende Gewebe 
wieder eindringen können! Er meint daher, es müsse alles aufgeboten 
werden, um das tote Gewebe so bald als möglich z. B. durch chirurgische 
Nachhülfe zu entfernen! Zugleich „muß durch fortgesetzte Anwendung 
des Mittels (man sieht, Koch schätzt die Widerstandskraft des menschlichen Körpers 
sehr hoch!!!) das gefährdete lebende Gewebe vor dem Wiedereinwandern 
der Parasiten geschützt werden." (Der Ausdruck „Parasiten" (Schmarotzer) ist 
kennzeichnend für die verkehrte Ausfassung des Gelehrten.) 
*) In Innsbruck starb eine kräftige 17jährige Lupuskranke nach der 1. Ein 
spritzung von 0,002 binnen 24 Stunden. 
**) Die Professoren Dräsche, Kaposi und Weichselbaum in Wien ebenfalls.
	        
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