Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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aber war durch traurige Erfahrungen ganz davon zurückgekommen. 
Auch ich habe sie früher mit Erfolg angewendet und anwenden sehen. 
Aber ich habe auch selbst traurige Ausgänge, unmittelbar eintretenden Zu 
sammenbruch (Collaps) und Tod als Folge beobachtet und bin heute über 
zeugt, daß diese Ausgänge durch milde Wärmeapplikationen: bei sehr schwachen 
Patienten Canitz'sche Bett-, bei kräftigern Kuhnesche Stuhldampf 
bäder mit nachfolgendem Rumpfbad hätten vermieden werden können. 
Jene Prießnitz-Rauße'schen kühlen Halbbäder mit noch kälteren 
Uebergießungen haben mir etwas zu viel Aehnlichkeit mit den heroischen 
Mitteln der Mediziner: sie helfen zuweilen und töten öfter. Man 
kann eben die Reaktionskraft eines tiefkranken Körpers nicht genau abschätzen. 
Die oben erwähnten Wärmeapplikationen mit sehr vorsichtigen hochtemperierten 
<22—25° L) Rumpf- oder Halbbädern haben mich noch nie im Stiche gelassen 
und scheinen mir einem halbbankerotten Körperzustande angemessener, als 
das wagehalsige Spiel mit dem Reste von etwa vorhandener Reaktionskraft. 
Wer will sich den Blick zutrauen, ob das Spiel gewagt werden darf? Die 
alten Wasserheroen, die es gethan haben, die waren an viel weniger Er 
folge gewöhnt, als man heute von uns verlangt. Ihnen gingen weit 
mehr Kranke zu Grunde, als den heutigen vorsichtigeren Naturärzten, aber 
der Medizin gegenüber standen sie noch immer glänzend da — und 
das begründete ihren Ruf. 
Ich antworte also auf die Frage der Redaktion S. 176 in der An 
merkung: „Die neuere Naturheilkunde hat Recht; und auch Prießnitz, 
Rauße und Munde würden ihr Recht geben, wenn sie noch lebten 
und die Canitz'schen und Kuhne'schen Dampfanwendungen kennten! 
Oktober 1890. 
Mie macht man sich stufenweise mit der 
Naturheilkunde vertraut? 
Eine kurzgefaßte Anleitung zur Erlernung des Naturheilver 
fahrens aus Büchern 
zugleich ei« Fingerzeig für die Anlage einer Bibliothek.*) 
Auf Anregung des Bundesvorstandes verfaßt von Oberstl. a. D. S p o h r. 
Allwöchentlich kommt es mir vor, daß ich mündlich oder schriftlich 
von Leidenden um Rat angegangen werde, welche, schon seit Monaten oder 
Jahren vergeblich medizinischbehandelt, von einem oder dem anderen ihrer Bekannten 
gehört haben, daß diesem das Naturheilverfahren geholfen. Die Beratung 
dieser Kranken wäre nun in den meisten Fällen leicht und kurz, wenn dieselben 
auch nur in den Grundzügen mit der Naturheilkunde vertraut wären. Das 
ist aber meistens so wenig der Fall, daß manche sogar von derselben irgend 
welche Arzneimittel, seien es Hausmittel oder Apothekerwaaren, vorgeschrieben 
zu erhalten erwarten. 
Da sind denn, trotzdem ich das Büchlein von Siegert: ,,Die Natur 
heilkunde in ihren Anwendungsformen und Wirkungen", Wohl 
habenderen zur Beschaffung anzuraten oder Armen selbst zu verabfolgen pflege, 
längere Auseinandersetzungen oder gar Briefe unerläßlich. Da namentlich 
*) Wiederholt sind anöden Vorstand Anfragen nach dieser Richtung hin ergangen. 
Um auch den Schein der Parteilichkeit zu vermeiden, nahmen wir selbst nicht Stellung, 
sondern baten den Herrn Verfasser des vorliegenden Aufsatzes — welchen sicher niemand 
persönlicher Parteinahme wird verdächtigen können — den Gegenstand zu beleuchten. 
Der Bundesvorstand.
	        
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