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Ich bin jedoch viel zu einsichtsvoll, um hier einseitigen Ernährungs
formen das Wort zu reden. Wer sich bei vegetarischer Kost wohl fühlt, der
möge vegetarisch leben, andere werden ebenso gern ein Stück Fleisch zu ihrem
Gemüse genießen. Es liegt kein Grund vor, dies zu verbieten. Auch hier
heißt es individualisieren. Ich erachte es gleichfalls für zwecklose Prinzipien
reiterei, den mäßigen Genuß einfachen Bieres zu untersagen, wenngleich ich mit
Wasser gemischte Fruchtsäfte oder Apfelwein dem vorziehen würde. Selbst ein
Glas leichten Mosels zeitweise getrunken, wird nichts schaden, nur soll es
wirklich auch Traubensaft sein und kein mysteriöses Gemengsel der ver
schiedensten Säuren und Basen. Nirgends wird bekanntlich so viel unter
falscher Flagge gesegelt wie hier, und da auf dem weiten Erdenrund von dur
stigen Kehlen weit größere Mengen von Wein konsumiert werden, als davon
wachsen, so bedeutet Vorsicht hier Weisheit. (Forts, folgt.)
Jur Wärme- und Dampfanwendung bei
akuten und subakuten Krankheiten.
Von Oberst!. Spohr.
Unter dem Titel „Zur Wärmemethodik in Fiebern" enthält Nr. 10 dieses
Blattes von 1890 einen vortrefflichen Aufsatz von Herrn Kaminski
(Kiew), welchem ich im wesentlichen durchaus beizutreten vermag und deffen
Ausführungen mich einer ähnlichen schon begonnenen Arbeit größtenteils über
heben, wofür ich Herrn Kaminski sehr dankbar bin.
Aber auch in der Naturheilkunde giebt es scheinbare Ausnahmen von
den Regeln, und da solche meist in sehr schwierigen Fällen eintreten, so scheint
es um so mehr geboten, einige derjenigen, welche weniger erfahrenen Natur
ärzten große Schwierigkeiten bereiten, und .deren unrichtige Behandlung zu
weilen zur Katastrophe führt, hier kurz im Anschluß an Herrn Kaminski's
Bemerkungen zu besprechen.
Vorausgeschickt sei, daß unter „akuten" Krankheiten solche zu verstehen
sind, welche unter dem weiteren Anzeichen von Entzündung und hitzigem
Fieber auftreten, unter „subakuten" aber „den akuten Zuständen ähnliche",
welche sich im Verlaufe chronischer Krankheiten einzustellen pflegen, meist als
Vorboten von Besserung, während sie kurz vor der Heilung dann in ganz
gleichen Erscheinungen, wie bei akuten Krankheiten, auszugehen pflegen. Die
„subakuten" Symptome sind Zeichen von Anläufen, welche der Organismus
zur Heilung unternimmt, ohne doch schon die Kraft zur nötigen Durch
setzung der lctztern und Ausstoßung der Krankheitsstoffe zu besitzen?)
Ueber die Verwendung der feuchten Packungen bei hitzigen (akuten)
Fiebern spricht sich Herr Kammski völlig klar und richtig aus. Nur das
möchte ich hinzufügen, daß es namentlich bei heftigen Entzündungen
innerer Organe des Unterleibs, Magen-, Darm-, Milz-Entzündungen und bei
kräftigen Kranken, in allen den Fällen, wo das Fieber kurz nach erfolgter
feuchter Packung also in 25—20, ja 15 Minuten schon wieder anfängt —
und es kommen Fälle ror, wo es in kurzer Zeit wieder eine bedenkliche Höhe
erreicht — bester ist, sofort eine zweite Packung von etwas milderer Tem
peratur und etwas weniger ausgerungener Leinwand vorzunehmen, statt sofort
zum Abbaden im Halbbad zu schreiten. Ich habe nicht selten, namentlich bei
*) Der Herr Verfasser meint damit jedenfalls die „Krisen" des Prießnitz und Ateren
Naturärzte. D. Red.