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sehen feststellen. Zn erwähnen sind noch geringe Störungen in der
JJrinabsonderung (öfterer Harndrang) und zuweilen auftretende Verstopfung.
Die Diagnose lautet: Rückenmarkschwindsucht (Stadium ge
störter Bewegung).
Die Behandlung richtete sich einmal auf Hebung des Allgemein
befindens, um das Rückenmark gegen das Fortschreiten des Entartungs
prozesses widerstandsfähiger zu machen, dann gegen Herabsetzung und
Heilung der einzelnen Krankheitszeichen.
Es wurden verabreicht vorwiegend herabgehende Bäder von 26—24 0
R., zur Linderung schmerzhafter Anfälle aufsteigende von 24—27° R.
Morgens milde Abwaschungen mit milden Frottirungen. Als Packungen
wendete man 3 / 4 -P. in milder Form von 3 / 4 ständiger Dauer an; ihnen
folgten Halbbäder von 26—24°. Nachts bekam er Rückenpackungen,
Leibumschläge, Wadenpackungen. Bei stärkeren Schmerzen in den unteren
-Gliedmassen pneumatische Beindampfbäder und heisse Kompressen. Täg
liche allgemeine Massage. Heilgymnastik.
Waren auch die Ausfallserscheinungen nicht ganz zu beseitigen, so
konnte nach 3 wöchentlicher Behandlung — der Kranke musste leider nach dieser
Zeit die Anstalt verlassen — eine bedeutende Besserung im Gange (ging jetzt
ohne Stock) verzeichnet werden. Die Erscheinungen des Doppelsehens, der
bohrenden Schmerzen, der Harn- und Stuhlstörungen waren vollständig
beseitigt, der Kranke nahm 4,5 Kilo zu und war auffällig frisch und munter.
Dieser Fall erhärtet, dass man, wenn man bedenkt, dass ein Rückenmarks
kranker Jahrzehnte lang leben kann und durch Anwendung der Naturheil
methode fast alle Anzeichen schwinden, in nicht zu vorgeschrittenen
Fällen die Rückenmarksschwindsucht als relativ heilbar hinstellen kann.
II.
Eine 23jährige Dame, äusserst blutarm und abgemagert, sichtlich
entkräftet, mit schlaffer Muskulatur, gelblicher Gesichts- und Hautfarbe,
welker Haut und tiefliegenden Augen findet Aufnahme in die Anstalt.
Sie klagt, dass sie schon seit 6-8 Monaten an Appetitlosigkeit, Schmerzen
in der Magengegend nach der Nahrungsaufnahme, hartnäckiger Verstopfung
leide. Ferner schildert sie halb weinend, dass sie stark verstimmt sei,
nicht schlafen könne, schwaches Gedächtnis und peinigenden Kopfdruck
habe, mitunter auch plötzlich beginnendes Herzklopfen und immer kalte
Füsse. Menstruationsstörungen sind nicht vorhanden.
Die physikalische Untersuchung lässt vollkommen gesunde Befunde
der Brustorgane erkennen, ebenfalls des Herzens. Der Unterleib ist
massig aufgetrieben und auf Druck wenig schmerzhaft. Leber und Milz
nicht vergrößert.
Die Diagnose lautet: Nervöse Dyspepsie (Verdauungsstörungen
auf nervöser Grundlage).
Die Behandlung war auf Hebung des Allgemeinbefindens und An
regung des Stoffwechsels bedacht. Die Kranke erhielt 3 / 4 -Packungen 25° R. eine
Stunde lang, darauf milde Halbbäder mit kühleren Uebergiessungen und
leichte allgemeine Massage. Nachts; Anfangs vorm Schlafengehen warmes
Vollbad, später Leibpackungen, morgens milde Abreibungen. Nach Sitz
bädern wurde eine kunstgerechte Massage des Unterleibes und des Magens
vorgenommen. Bei hartnäckiger Verstopfung hohe Klystiere, jeden Tag
kleine Bleibeklystiere. Streng vegetarische Kost.
Die Kranke bekam schon am dritten Tage besseren Appetit, die Stuhlbe-