Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

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Das Erkerminis findet nun schließlich noch darin eine Fahrlässigkeit, „daß der An 
geklagte überhaupt die Behandlung übernommen hat". Wenn ihm dieser Vorwurf vor etwa 
zwanzig Jahren gemacht worden wäre, dann könnte man ihn einigermaßen für berechtigt 
halten, da er sich damals noch wenig Erfahrungen gesammelt hatte. Wenn aber nach einem 
fast zwanzigjährigen segensreichen Wirken in der Ausübung der Naturheilkunde dies von 
ihm gesagt wird, wenn man dies ausspricht, nachdem Canitz durch seine Schriften über 
„Dyphtheritis", „Scharlach", „Chronisch kalte Füße, ihre Ursachen, Folgen und naturgemäße 
Heilung" re., wo er infolge seiner überaus lehrreichen, von wissenschaftlichem Denken und 
Urteilen zeugende Artikel, und feine von Wahrheit und Klarheit durchdrungenen Vorträge 
seit langem von allen Anhängern der Naturheilkunde weit über Deutschlands Grenzen hinaus 
als eine Autoritär ersten Ranges aus dem Gebiete der Naturheilmethode anerkannt ist, und 
man dann noch das Zeugnis von Tausenden beibringen kann, die er behandelt und wieder 
hergestellt hat, unter denen sich nicht wenige befinden, die, von Aerzten aufgegeben, durch ihn 
am Leben erhallen sind, so hat dieser richterliche Grund wenig Bedeutung. Wer dem 
Empfange des Herrn Canitz, einige Tage nach der Verurteilung, in einem der größten 
Säle Berlins, der von Anwesenden eng gefüllt war, beigewohnt und die wahrhaft ergreifenden 
Begrüßungen und Ovationen gehört und gesehen hätte, der würde anders darüber urteilen, 
ob der Herr Canitz fährlässig ist, wenn er solche Behandlung übernimmt. 
Es ist nun endlich noch in dem Erkenntnis von einer „lebensgefährlichen Operation" 
die Rede. Im gewöhnlichen Leben werden nach chirurgischen Begriffen die Eröffnungen von 
Absceffen, wenn auch durch mehrere Einschnitte, nicht zu den Operationen gerechnet, wenigstens 
nur zu den niederen, die man häufig einem tüchtigen Heilgehilfen überläßt, daher kann von 
einer gefährlichen Operation nicht die Rede sein und es ist unbegreiflich, warum der be- 
andelnde Arzt nicht die Einschnitte selbst gemacht hat. Was sollten wohl die Aerzte in 
kleinen Städten oder auf dem Lande anfangen, wo sie allein sind, wenn sie schon vor 
solchen unbedeutenden chirurgischen Verrichtungen zurückschrecken und anderweitige Hilfe nach 
suchen wollten? Das Hinzuziehen des Operateurs macht die Vermutung rege, daß, wenn 
auch der Kläger in der Verhandlung angab, nicht durch fremde Einflüsterungen zur Klage 
veranlaßt zu sein, die ganze Sache zu einer Staatsaction aufgebauscht ist, um dem lästigen 
und mit brotneidischen Augen angesehenen Canitz oder der verhaßten Naturheilkunde einen 
Hieb zu versetzen. 
Ich hoffe, durch diese Auseinandersetzung die Leser überzeugt zu haben, daß die 
Richter, von falschenz.Voraussetzungen ausgehend, Herrn Canitz mit Unrecht der Fahrlässigkeit 
geziehen und ihn deshalb verurteilt haben. 
Influenza. 
Von Hermann^Canitz. 
Daß diese Krankheit schon seit Jahrhunderten bekannt ist, haben die verschiedensten 
Zeitungen uns.erzählt; auch daß dieselbe in ebenso großem Umfange, nur mit etwas heftigeren 
Erscheinungen aufgetreten ist, uns klar gemacht. Warum diefe Epidemie jetzt auftritt? Jeden 
falls ist ein gewisser Prozentsatz der Menschen mit geeignetem Krankheitsmaterial geladen, 
und irgendwelche Miasmen haben den Zündstoff abgeben müssen, um die Explosion herbei 
zuführen. 
Nach allen Beobachtungen, und meine Influenza-Patienten zählen nach Hunderten, 
ist die Krankheit ein echtes rechtes Allgemeinleiden, eine Störung im Blutleben — Mischung 
und Verteilung dieses Saftes — darnach der Nerven. Infolge dieses Zustandes werden nun 
alle Teile des ^ Organismus, welche vom Blut und den Nerven abhängen — und welche 
wären das nicht — ins Leiden hineingezogen. Die Atmungs- u. Verdauungsorgane, Bronchitis-, 
Husten- und Magenverstimmung, vollständige Appetitlosigkeit, Brechreiz, Erbrechen, Muskel- 
schwäche, Hinfälligkeit, Schmerzen in den Gliedern, Kreuz und Rücken, Eingenommensein 
des Kopfes, hochgradiger Kopfschmerz, Schwindel, und was das Ganze als eminentes 
Allgemeinleiden stempelt: Fieber bis 40 0 C. Wenn die Milz angeschwollen und die Zunge 
borkig und trocken wäre, würde man in einzelnen Fällen leicht auf Typhus schließen können. 
Wie wir bei solchen Leiden zu verfahren haben, ist unschwer einzusehen. Die uns 
von ärztlicher Seite empfohlenen Mittel: Chinin, Antipyrin, Antifebrin, und wie die schönen 
Sächelchen alle heißen, sind von vornherein wegzulassen. Unsere Aufgabe besteht dahin , den 
Körper derartig zu unterstützen, daß er den Krankheitsstoff möglichst bald aus dem Organismus 
entferne und dadurch aller der lästigen Krankheilszeichen enthoben werde. 
Um sich vor dem lästigen Besuche zu bewahren, dürsten folgende Maßnahmen zu 
empfehlen sein. _ _ 
Täglich 3 mal gurgeln mit 18° E., V 4 Liter und Ausspülen der Nase mit 22° E., 
dann 3-5 Schluck kaltes Wasser trinken, Streichen der Unterkiefer bis hinter die Ohren, 
der Stirn und Schläfen — 30 Mal. — Abendsundfrüh22oE. Abreibung der Arme, 
der Brust und des Leibes und 18° E. des Rückens, der Beine und Füße; Streichen über
	        
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