Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Behandlung 
der 
allgemeinen Nervenschwäche (Neurasthenie)*. 
von Dr. Larl Neumann. 
Die Behandlung der Nervenschwäche wird man in eine allgemeine, den 
gesamten Nervenapparat beeinflusiende und in eine symptomatische, d. h. die 
hervorragenden Symptome des jedesmaligen Leidens berücksichtigende einteilen 
müssen. Im Voraus sei hier betont, daß, um zu dem erwünschten Ziele der 
Heilung zu gelangen, aller und jeder Arzeneigebrauch überflüssig und es nur 
nötig ist, dieselben Mittel in geeigneter Weise und Form anzuwenden, durch 
welche sich der Mensch überhaupt gesund erhalten kann. Zu solchen Mitteln 
gehören Vermeidung der die Nervenschwäche direkc fördernden Ursachen. Die 
Nahrung, die reine Luft der freien Natur, die Wärme, die Ruhe und Bewegung, 
das Wasser, gewisse, der gesunden Natur des Menschen entsprechende Gewohn 
heiten und eine gewisse Ruhe des Gemütes. 
Wir haben oben gesehen, daß gewisse Berufsarten, mit welchen eine 
körperliche oder eine geistige fortwährende Erregung in einem besonders hohen 
Grade verbunden ist, das Nervensystem derart nachteilig beeinflussen, daß eine 
allgemeine Schwäche des letzteren die unmittelbare Folge davon ist. Es ist 
selbstverständlich, daß die Heilung solcher Neurastheniker nun und nimmer 
mehr möglich sein kann, ohne daß sie ihre Berufsthätigkeit zugleich aufgeben, 
und daß Annoncen, welche die Ankündigung besonderer Kurmerhoden enthalten, 
welchen zufolge die Heilung ohne Berufsstörung versprochen wird, entschieden 
nur als Schwindel-Annoncen zu betrachten sind. Es ist überhaupt klar, daß 
jede Ursache zu einem Leiden erst beseitigt werden muß, ehe man zur Kur des 
letzteren schreiten kann. Ist also die unmittelbare erste und wichtigste Ursache 
zur allgcmeineir Nervenschwäche gehoben, so suche man zunächst durch eine 
geeignete Nahrung zur Erzeugung gesunden Blutes beizutragen, wodurch dem 
gesamten Organismus gesunder Ersatz des verbrauchten Materials und dem 
Nervensysteme neue und frische Kraft zugeführt wird. Die Nahrungsmittel, 
welche dies vermögen, dürfen daher nur nahrhaft, leichtverdaulich und reizlos 
sein, d. h. dem Verdauungssysteme, welches ja auch stets als ein in einem 
gewissen Grade geschwächter Organismus zu betrachten ist, keinerlei Beschwerden 
verursachen, auf dasselbe sonach keine ungewöhnlichen, widernatürlichen Reize 
ausüben. Es müsseu also vermieden werden: Fleisch, wenigstens große Quan 
titäten, stark gewürzte Speisen, Erbsen, Linsen und Bohnen, wegen ihrer 
blähenden Eigenschaften; ferner Chokolade, Kaffee, Thee, Bier. Wein, kurz alle 
aufregenden Getränke; ferner die verschiedenen Näschereien, wie sie in den 
Condltoreien grade von den verzärtelten und geschwächten Naturen vorwiegend 
gern genossen werden, dann die pikanten Sachen wie: Wurst, Kaviar, Käse, 
eingesalzene, eingepöckelte Eßwaren u. s. f. Man vergesse eben nicht, daß man 
es hier immer mit einer geschwächten Ernährung zu thun hat. welche selbst 
manche Speise nicht gestattet, welche einem gesunden Magen niemals Nachteil 
bringen würde. Leider versteht man unter einer sogenannten „kräftigen Kost" 
grade die oben genannten Speisen, namentlich recht viel Fleisch, womöglich in 
* Dieser Aufsatz bildet den selbstständigen Abschluß zu den im früheren „Naturarzt 
des Central-Verbandcs" erschienenen vier Abschnitten über die Nervenschwäche.
	        
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