Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Etwaige Lücken in dieser kleinen Arbeit bitte ich mit ihrer Dringlichkeit 
und der von mir verlangten Kürze zu entschuldigen! 
Gießen, den 20. Seprember 1888. 
Ursachen und Wirkungen. 
Line Betrachtung von Hermann Canitz. 
„Weil die Herren Doktoren der Medizin, von den Universitätsprofessoren 
bis zum einfachen Assistenzärzte in der Klinik, von dem Naturheilverfahren 
nichts halten, gegebenen Falles in höchst abfälliger, ja verächtlicher Weise darüber 
urteilen, kann an demselben nichts sein", so hebt einer meiner intimsten Gegner 
den Kampf an. „Wäre das Naturheilverfahren wirklich das, wozu es die 
Anhänger derselben machen, unsere Herren Geheimräte würden darüber nicht 
die Achsel zucken, es für Humbug erklären. Hätte die Naturheilmethode für 
Gesunde und Kranke in Wahrheit den Wert, der in Wort und Schrift von 
den Vertretern dieser Schule gezeichnet wird, unsere Medizinalräte würden 
nicht so entschieden Stellung dagegen nehmen. Stände die arzneilose Heilweise 
thatsächlich als vollberechtigt in der Reihe der rationellen Heilkunst, wie kämen 
die studierten Aerzte dazu, sie als Schwindel zu bezeichnen. Brächte das 
jetzt vielbesprochene Heilverfahren zweifellos den Vorteil und den Segen am 
Krankenbette, welche ihm nachgerühmt werden, unsere staatlich geprüften und 
staatlich anerkannten Mediziner würden gewiß nicht ihren Spott darüber aus 
gießen. Vermöchte die Naturheilmethode in Wahrheit Krankheiten zu verhüten, 
unabwendbare krankhafte Erscheinungen zum leichten, raschen und günstigen 
Verlaufe zu bringen, gefährlich bezeichnete gefahrlos zu erhalten, rettungslos 
erscheinende und geschilderte noch zur Heilung zu führen und als überhaupt 
unheilbare in den Lehrbüchern der staatlichen Heilkunde angegebene in heilbare 
umzugestalten: auf den Ärzteversammlungen und in den Ärztekammern würde 
man nicht die Frage erörtern, wie dem Vordringen dieser Charlatanerie mit 
Erfolg zu begegnen sei. Herrschte in den Grundsätzen und dem ganzen Wesen, 
in den Lehren und Anschauungen der Naturheilkunde nur ein Teil der 
Wahrheit und Klarheit, die von ihren Aposteln als unbestritten dem Volke 
dargestellt wird, wie wäre es erklärlich, daß die große Menge der im Interesse 
für das Volkswohl so lebhaft nach Wahrheit und Klarheit suchenden Medizin 
heilbeflissenen gewaltige Anstrengungen machten, um die Polizei und den Reichs 
tag durch Bittgesuche zu bestimmen, das getäuschte, betrogene, an Gesundheit 
und Eigentum geschädigte deutsche und nichtdeutsche Volk vor dem Kurpfuscher 
tum, das unter der Fahne „Natur- und arzneilose Heilweise" segelt, zu schützen. 
Man wird doch niemandem glauben machen wollen, daß Männer, die lange 
Jahre Zeit und Geld opferten, um die Wahrheit und die Fähigkeit an den 
Quellen der Heilkunst direkt zu trinken, nicht dem ausgesprochenen Guten sich 
zuwenden würden. Es wäre eine Beschimpfung, wollte man behaupten, daß die 
Herren Aerzte, von denen viele im Dienste der leidenden Menschheit ihr Leben 
hingeben, aus selbstsüchtigen Gründen oder aus Standesinteressen der neuen 
Heillehre, wenn sie Anerkennung verdiente, ihr dieselbe versagten. Also weil sie 
dieselbe nicht verdient, weil sie nichts taugt, deshalb stellen sich die Herren 
staatlich Approbierten ihr gewiß mit Recht so feindlich gegenüber; und weil dei 
sogenannten Naturärzte sich zu Handlangern eines solchen Schwindels machen, 
deshalb und nur deshalb sind die studierten Aerzte als die vor Gott und der 
Menschheit allein berechtigten Herren über Leben und Tod verpflichtet, den Nicht 
studierten den Fuß auf den Nacken zu setzen und ihnen das Handwerk zu legen.
	        
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