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doch auch die I m p f f r a g e in der Kommission des Reichstages — eine recht
beklagenswerte Antwort gefunden!
Ihren Gruß herzlich erwidernd — meine Frau und Tochter schließen
sich an - Ihr Pastor X.
Folgt nun das j u r i st i s ch e G u t a ch t e n, wo mach der humane Herr Pastor ruhig
auch ferner seinem Samariterwerk nachgehen kann, ungetroffen von der Denunziation dieses
ebenfalls wütigen Landarztes, dieses brotneidischen allopathischen „ Ki e cks - t n d i e Welt",
der zwar von sog. Wissenschaft trieft, aber nichtsdestoweniger nicht einmal ein Scharlach-
fieberchen richtig zu behandeln versteht; wornach im Gegenteil er denselben wegen infamer
Beleidigung am Kragen packen kann! Aus diesem Vorfalle, dem 1000 andere all
täglich sich anreihen, kann inan unschwer den Schluß ziehen, wie gut es wäre, wenn Geist-
l i ch e und Lehrer auf den: Lande v o r ihrem jeweiligen Amtsantritt einen Kursus in der
praktischen Naturheilkunde obligatorisch durchmachen müßten, welcher Segen daraus ent
stehen würde, wie viel tausende junger Menschenleben dadurch gerettet würden, statt daß
man jetzt alltäglich in den Zeitungen lesen kann, wie bei solchen Epidemien eure große Anzahl
Kinder, oft in einer Familie mehre, dahin sterben, trotz oder infolge allopathischer Miß
handlung ! Der Geistliche am Schlüsse jeder Predigt sollte dann ferner seinen Zuhörern,
den alten Si'mdern und Ignoranten, der Lehrer alltäglich seinen übelberatenen Kleinen einen
Brocken v e r n ü n f t i g e r L e b e n s w e i s e mit auf den Weg geben ! Aber was sollte dann
aus den vielen Medizinen: und Apothekem werden? — An den K o n g o schicken k., i m m e r
fort damit! Wir werden kein Heimweh nach ihnen bekommen!
Zur „juristischen Beurteilung"
der im vorstehenden Schreiben mitgeteilten Vorgänge — so schreibt uns auf
Ersuchen ein befreundeter Rechtsanwalt — ist folgendes zu bemerken:
Nirgends existirt bei uns eine gesetzliche Bestimmung, rermöge deren die
thatsächliche Gewährung eines ärztlichen Beistandes für ein ausschließliches
Privilegium eines gewissen Standes oder einer bestimmten Kaste gelten
könnte. Vielmehr ist die — mcdizinlose — Ausübung der Heilkunde jcd-
wedem, auch dem nicht als Arzt A p p r o b i r t e n, gestattet! Nach
der Gewerbe-Ordnung sollen, nur diejenigen einer besonderen Approbation
bedürfen, welche sich als „ Ärzte" oder mit gleichbedeutenden Titeln be
zeichnen wollen, und cs setzt weiter lediglich die Unternehmung von
Kranken- und ähnlichen A n st a l t e n für Nichtärzte eine Konzession voraus. Von
diesen Ausnahmen abgesehen, ist selbst die Ausübung der Heilkunde als Gewerbe
freigegeben und daher straflos; um wieviel niehr also eine freiwillig gewährte
Liebesthätigkeit, wie sie in unserem Falle vorliegt.
Was die Denunziation an das Konsistorium anlangt, so hat das letztere
nur über D i e n st v e r g e h e n der G e i st l i ch e n zu befinden. Wie aber in
einem ans purer Nächstenliebe von geistlicher Seite geleisteten Samaritcr-
dikllstc ein Dienstvergehen gefunden werden soll, das ist doch wohl nicht
recht ersichtlich! Und sollte etwa der betreffende Arzt darauf hinausgewollt
haben, daß in unserem Strafgesetzbuche demjenigen Strafe angedroht wird,
der durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, dann wäre
freilich die Staatsanwaltschaft, nicht das Konsistorium die Behörde
gewesen, an welche die Denunziation zn richten war. Schwerlich aber würde
auch die Staatsanwaltschaft der Sache Interesse geschenkt haben. Zum Be
griffe „Fahrlässigkeit" gehört hier das pflichtmäßige Bewußtsein bei
dem Beschuldigten, daß gerade durch die fragliche Handlung (hier also
durch die Anwendung der naturheilgemäßen Behandlungsweise bei dem er
krankten Kinde) der Tod verursacht werden könne; und es wäre, um eine
Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung herbeizuführen, weiter nachzuweisen,
daß die fragliche Handlung thatsächlich die Ursache des erfolgten Todes
gewesen sei — beides Momente, die in unserem Falle nachweislich nicht zutreffen!