Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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doch auch die I m p f f r a g e in der Kommission des Reichstages — eine recht 
beklagenswerte Antwort gefunden! 
Ihren Gruß herzlich erwidernd — meine Frau und Tochter schließen 
sich an - Ihr Pastor X. 
Folgt nun das j u r i st i s ch e G u t a ch t e n, wo mach der humane Herr Pastor ruhig 
auch ferner seinem Samariterwerk nachgehen kann, ungetroffen von der Denunziation dieses 
ebenfalls wütigen Landarztes, dieses brotneidischen allopathischen „ Ki e cks - t n d i e Welt", 
der zwar von sog. Wissenschaft trieft, aber nichtsdestoweniger nicht einmal ein Scharlach- 
fieberchen richtig zu behandeln versteht; wornach im Gegenteil er denselben wegen infamer 
Beleidigung am Kragen packen kann! Aus diesem Vorfalle, dem 1000 andere all 
täglich sich anreihen, kann inan unschwer den Schluß ziehen, wie gut es wäre, wenn Geist- 
l i ch e und Lehrer auf den: Lande v o r ihrem jeweiligen Amtsantritt einen Kursus in der 
praktischen Naturheilkunde obligatorisch durchmachen müßten, welcher Segen daraus ent 
stehen würde, wie viel tausende junger Menschenleben dadurch gerettet würden, statt daß 
man jetzt alltäglich in den Zeitungen lesen kann, wie bei solchen Epidemien eure große Anzahl 
Kinder, oft in einer Familie mehre, dahin sterben, trotz oder infolge allopathischer Miß 
handlung ! Der Geistliche am Schlüsse jeder Predigt sollte dann ferner seinen Zuhörern, 
den alten Si'mdern und Ignoranten, der Lehrer alltäglich seinen übelberatenen Kleinen einen 
Brocken v e r n ü n f t i g e r L e b e n s w e i s e mit auf den Weg geben ! Aber was sollte dann 
aus den vielen Medizinen: und Apothekem werden? — An den K o n g o schicken k., i m m e r 
fort damit! Wir werden kein Heimweh nach ihnen bekommen! 
Zur „juristischen Beurteilung" 
der im vorstehenden Schreiben mitgeteilten Vorgänge — so schreibt uns auf 
Ersuchen ein befreundeter Rechtsanwalt — ist folgendes zu bemerken: 
Nirgends existirt bei uns eine gesetzliche Bestimmung, rermöge deren die 
thatsächliche Gewährung eines ärztlichen Beistandes für ein ausschließliches 
Privilegium eines gewissen Standes oder einer bestimmten Kaste gelten 
könnte. Vielmehr ist die — mcdizinlose — Ausübung der Heilkunde jcd- 
wedem, auch dem nicht als Arzt A p p r o b i r t e n, gestattet! Nach 
der Gewerbe-Ordnung sollen, nur diejenigen einer besonderen Approbation 
bedürfen, welche sich als „ Ärzte" oder mit gleichbedeutenden Titeln be 
zeichnen wollen, und cs setzt weiter lediglich die Unternehmung von 
Kranken- und ähnlichen A n st a l t e n für Nichtärzte eine Konzession voraus. Von 
diesen Ausnahmen abgesehen, ist selbst die Ausübung der Heilkunde als Gewerbe 
freigegeben und daher straflos; um wieviel niehr also eine freiwillig gewährte 
Liebesthätigkeit, wie sie in unserem Falle vorliegt. 
Was die Denunziation an das Konsistorium anlangt, so hat das letztere 
nur über D i e n st v e r g e h e n der G e i st l i ch e n zu befinden. Wie aber in 
einem ans purer Nächstenliebe von geistlicher Seite geleisteten Samaritcr- 
dikllstc ein Dienstvergehen gefunden werden soll, das ist doch wohl nicht 
recht ersichtlich! Und sollte etwa der betreffende Arzt darauf hinausgewollt 
haben, daß in unserem Strafgesetzbuche demjenigen Strafe angedroht wird, 
der durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, dann wäre 
freilich die Staatsanwaltschaft, nicht das Konsistorium die Behörde 
gewesen, an welche die Denunziation zn richten war. Schwerlich aber würde 
auch die Staatsanwaltschaft der Sache Interesse geschenkt haben. Zum Be 
griffe „Fahrlässigkeit" gehört hier das pflichtmäßige Bewußtsein bei 
dem Beschuldigten, daß gerade durch die fragliche Handlung (hier also 
durch die Anwendung der naturheilgemäßen Behandlungsweise bei dem er 
krankten Kinde) der Tod verursacht werden könne; und es wäre, um eine 
Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung herbeizuführen, weiter nachzuweisen, 
daß die fragliche Handlung thatsächlich die Ursache des erfolgten Todes 
gewesen sei — beides Momente, die in unserem Falle nachweislich nicht zutreffen!
	        
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