Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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Vertrauen auf Sie und Ihre Versuche, soweit es die, allerdings ziemlich 
krassen Widersprüche, in welche Sie sich selbst verwickeln, noch gestatten? 
Warum mich mit Gewalt auf den Weg der freien Forschung treiben, 
der sicherlich das aller u n zweckmäßigste ist (wie ja die ganze Bakterienent» 
Wicklungsgeschichte zeigt), um Einheit und Übereinstimmung in die 
Bakterienlehre zu bringen? Nehme man sich doch ein illustres Beispiel, 
verbiete die freie Forschung ganz und gar, berufe ein Bakterien - Konzil und 
einen unfehlbaren Bakterien-Vater!... 
Ich begnüge mich also, auf Ihre Autorität hin zu konstatiren 1) daß die 
Fäulnisbakterien überall, im Wasser und in der Luft vorkommen, sich 
also auch aus dieser überall niederlassen können, wo es ihnen bequem ist, was 
in Hähern Temperaturen als 60 bez. 100° 0. oder in niedern, als -|- 5° C. 
nicht der Fall zu sein scheint; 2) daß sich die Fäulnisbakterien niemals 
in lebendem Blut und Gewebe vermehren, sondern einzig und allein in 
totem abgestorbenem Material (S. 124); 3) daß, wenn man diese 
Fäulnisbakierien in Reinkulturen anderer Bakterien bringt, sie sich zahllos 
vermehren und die andern mit Mann und Maus vertilgen! (S. 125.) 
Welch herrliches Bild! Das geht ja noch weit über meine kühnsten Phan 
tasien hinaus, dann ist ja das bacterium termo das wahre spezifische Des- 
infiziens für die ganze Welt und ein ganz unschädliches dazu l Also nach 
1) kommt es überall vor, außer etwa in Feuer und Eis. Da in den 
lctztern auch die andern Bakterien nicht vorkommen, ist das auch nicht nötig. 
Aber überall, wo diese andern Bakterien vorkommen, z. B. zwischen -f- 5 und 
-s- 60° 0., da kommtauch daotsriura temio fort und beißt sie tot. Und 
da soll man sich noch wundern, daß die armen Fellahs in Ägypten in ihrem 
ewigen Schmutz, in ihren pestilenzialischen Höhlen so gesund 
sind, wie Sie uns das vorerzählen! S. 123 a. a. O. sagen Sie näm 
lich wörtlich: „die an allem Mangel leidenden, schmutzigen, vertierten 
Fellahs besitzen eine Gesundheit, um welche sie Unzählige, die in 
Palästen und Schlössern wohnen, beneiden dürften." Daß über 
haupt „Unzählige" in Palästen und Schlössern wohnen, war mir 
neu. ich glaubte bisher, ein so glückliches Geschick blühe nur den upper ten thou- 
sands, daß aber diese „Unzähligen" eine so jammervolle Gesundheit be 
sitzen, daß sie sogar die armseligen Fellahs um die ihrige beneiden 
müßten, das war mir noch neuer! Freilich, da dürfte es zweckmäßig sein, 
in die Paläste und Schlösser denselben Schmutz, wie in jene Fellah- 
hütten einzuführen, damit der allmächtige bacterium termo sich ungestört ent 
wickeln und seine wunderbare Schutzkraft entfalten kann. Ob die upper teu 
tbeusauäs sich dazu wohl entschließen werden? Ob sie nicht auch die andere 
Mär vernommen von dem Elend, der Armut, dem Mangel und 
dem Schmutze, die die Ursache aller und jeder Krankheit 
seien? Habe ich doch noch ganz kürzlich hochgebildete Personen gesprochen, 
welche eben herkamen von den Fellahs und sie aus eigner frischer Anschauung 
kannten, auch zugeben, daß selbst unter ihnen einzelne wohlgebildete, starke 
Personen vorkommen (sollte da nicht vielleicht die Arbeit und eine natur 
gemäße Nahrung bei weit überwiegendem Aufenthalt in ozo- 
n i s i r t e r Lust und Sonnenschein ihren Segen dazu gegeben haben?), 
daß aber im allgemeinen unter ihnen, namentlich bei den Weibern, Krankheiten 
aller Art, Aussatz, Augenentzündungen u. s. w. u. s. w. Jahr aus Jahr ein 
grassirten. Wem soll ich da nun glauben? Sie gestatten wohl, daß ich für 
meine Person auch in diesem Falle meiner skeptischen Gewohnheit treu bleibe?
	        
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