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PWatrische Neßerisnen über die amtlichen Bulletins bei der
Erkrankung der Drau Prinzessin Georg von Sachsen.
Vom Herausgeber*
Tadelnde Urteile über wissenschaftliche Leistungen sind nur., insofern
strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung
oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht!
8 193 „Deutsches Strafgesetzbu ch".
Also 8in6 ira et studio ans Werk der richtigen Würdigung des exclusiven
Naturheilverfahrens!
Ich lasse nachstehend die Bulletins folgen, wie sie in dem „Dresdner
Anzeiger" sowie den „Dresdner Nachrichten" erschienen und werde
dann meine Betrachtungen darüber anschließen.
Dresden 27. Jan. Ihre K. H. Frau Prinzessin Georg ist an einem nervösen
Fieber nicht unbedenklich erkrankt.
Bulletin vom 28. Jan. Im Laufe des gestrigen Tages hatte das Fieber zwar etwas
abgenommen, trotzdem war aber die vergangene Nacht sehr unruhig und durch fort
währende Delirien gestört, Patientin hat gar nicht geschlafen!
Medizinalrat Dr. Fiedler.
Bulletin vom 29. Jan. Eine Besserung im Befinden der Frau Prinzessin Georg ist
nicht eingetreten; die schweren Krankheitserscheinungen, besonders von Seiten des G e h i r n s
dauern fort; Patientin hat die ganze Nacht schlaflos verbracht, Dr. Fiedler.
Mittags 1 Uhr: Der Krankheilszustand hat im Laufe des Tages wesentlich sich nicht
verändert, nur sind die Kräfte etwas geringer geworden. Professor Dr. Wagner,
Dr. Fiedler.
(Herr Geh. Medizinalrat Dr. Wagner traf heute Vormittag ^12 Uhr aus Leipzig
hier ein und wurde vom Medizinalrat Dr. Fiedler noch dem Prinzlichen Palais abgeholt.)
29. Jan. (Nachrichten.) Unser Königshaus ist durch eine nicht unbedenkliche Erkrankung
I. K. Hoheit der Frau Prinzessin Georg in Sorge versetzt worden, die hohe Frau
liegt an einem nervösen Fieber darnieder; die Nacht zum 27. hat die Patientinsehr
unruhig verbracht und garnicht geschlafen, das Fieber war beträchtlich; im
Laufe des Sonntags hat dasselbe zwar etwas abgenommen, trotzdem war die Nacht sehr
unruhig und wurde durch fortwährende Delirien gestört, die Schlaflosigkeit dauerte
am Montag fort. Auf Wunsch und Anraten des k. Leibarztes ist gestern Herr Geh. Me
dizinalrat Professor Dr. Wagner von Leipzig nach hier telegrafisch berufen worden,
um der hohen Patientin seinen ärztlichen Beirat zu widmen.
Bulletin vom 30. Jan. früh. Patientin hat vergangene Nacht bis gegen 1 Uhr etwas ruhiger
verbracht, um diese Zeit traten wieder heftigere Delirien ein, welche die Anwendung
eines kalten Bades notwendig erscheinen ließen, infolgedessen sank das Fieber beträchtlich,
die Gehirnerscheinungen dauern aber fort; der Kräftezustand ist unge
fähr derselbe wie gestern. Mittags 12 Uhr. Das Fieber hat noch nicht wieder die gestrige
Höhe erreicht; Patientin hat etwas Nahrung zu sich genommen; der Puls ist ziemlich
kräftig, Schlaf fehlt noch immer vollständig. Dr. Fiedler.
Bulletin vom 30. (Nachrichten.) Im Befinden der am Typhus schwer erkrankten
Frau Prinzessin Georg ist leider eine Besserung noch nicht zu konstatiren; die
neuesten Bulletins, welche Dr. Fiedler und der aus Leipzig herbeigerufene Professor
Dr. Wagner ausgaben, berichten, daß die schweren Krankheitserscheinungen besonders
von Seiten des Gehirns, fortdauern; die ganze Nacht zum Dienstag verbrachte
Patientin schlaflos; gestern wurden die vom Fieber geschwächten Kräfte etwas
geringer; die Krankheit hat mit einer Mandelentzündung den Anfang genommen;
man ist im Zweifel über den Grund der Entstehung des Nervenfiebers; Einige führen es
auf die Aufregungen zurück, welche der Mutter die Krankheit des Prinzen Albert verur
sacht hatten, Andere suchen einen Infektionsherd in dem Grundstück auf der Langestraße. (?)
Bulletin vom 31. Jan. Patientin hat die Nacht zum Mittwoch bis gegen 1 Uhr etwas
* Anmerkung. Von verschiedenen Seiten (sogar aus Wien) kam an mich die Auf
forderung, doch ja die Kunst der Ärzte bei der Behandlung der Prinzessin Georg im „Natur-
Arzt" kritisch zu beleuchten und ein Approbirter fügt derselben noch folgendes hinzu:
„Daß das arzneigläubige Publikum nicht stutzig wird, wenn es sieht, wie h o ch g e st e l l t e
Personen bei schweren Krankheiten regelmäßig unter der Behandlung berühmter
mediz. Autoritäten zu Grunde gehen, ist für mich ein psychologisches Rätsel."