Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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den ferneren Zutritt von noch mehr arteriellem Blut, mithin von 
Sauerstoff! 
aä Eiterung: beim eitrigen Gewebezerfall entsteht einerseits 
fetthaltige Lymphe und andererseits eine Art Wachsfett, welches 
aus dem Leimzuckergewebe der elastischen Bindesubstanz hervorgeht. Ein solches 
Wachsfett wird dadurch erzeugt, daß Kohlensäure zur chemischen Abspaltung 
kommt; eben diese Kohlensäure ist es, die bei Geschwüren die Hitze 
und Schwellung und durch ihren Druck auf die Nerven den Schmerz 
bewirkt; sie ist es auch, welche beim Einstich mit der Lanzette in das reife Ge 
schwür die Lymphe hoch emporspritzen macht, ganz so wie die Kohlensäure des 
Sodawassers den Kork aus der Flasche treibt; es ist von Wichtigkeit, diesen 
chemischen Sachverhalt zu kennen, denn derselbe erklärt uns viele andere Er 
scheinungen. Ich weise nur darauf hin. daß dieser kohlensäurehaltige, gutartige 
gelbe Eiter sich ähnlich verhält wie die weinige Gührung; diese schließt 
die Milchsäure-Gährung aus und so schließt der gelbe Eiter die 
Fäulnis aus; gelber Eiter liefert keine übelriechenden Produkte 
und ist. so lange die Luft abgehalten bleibt, nicht ansteckend; er fault erst 
dann, wenn die Luft herbei kann, dann aber auch sehr rasch! 
aä Fäulnis: im Gegensatz zur gutartigen Eiterung oder dem Zerfall 
des Gewebes zu Kohlensäure und u n o x y d i r t e r F e t t s u b st a n z ist der 
Charakter der faulen Gährung, abgesehen von Kohlensäure, durch das Auf 
treten von Milchsäure und Fettsäure, d. i. oxydirten Fetten; 
wie schon erörtert, setzt die Fäulnis den Zutritt von Sauerstoff voraus; 
unter diesen Umständen findet eine Fäulnis gewisser Körperteile während 
des Lebens niemals anders statt, als wenn die atmosphärische 
Luft oder das sauerstoffhaltige arterielle Blut einwirken können. Die 
Absonderungen der Schleimhaut unserer Luftröhrenästekönnenfaulen, 
eben weil die Luft darüber st reicht; auch Teile unseres Lungengewebes 
können faulen, wenn sie sich passiv verhalten und die benachbarten Alveolen 
ihnen Sauerstoff mitteilen; hingegen verfallen Gewebsteile, die zwischen Muskel 
häuten eingeschlossen sind, zu denen kein arterielles Blut hingelangt, der sog. 
käsigen Entartung; durch diese beiden Gegensätze erscheinen beiläufig P h t h i - 
sis und Tuberkulosis genügend charakterisirt. Und wir können gleich 
hier bemerken, daß Diphtheritis sich zu den Blattern verhält, wie 
Fäulnis zur Eiterung. Der lymphöse Eiter bei den Blatiern fault 
erst dann, wenn sich ihm an der Oberfläche der Haut arterielles Blut aus 
zerreißenden Kapillargefäßen beimengt (schwarze Pocken), während zu dem In 
halt der Lymphbahnen kein Sauerstoff hingelangt und demgemäß auch keine 
Fäulnis stattfinden kann! 
ad. Ab st erben: unter dem Namen des Stensonschen Versuchs ist zu 
erst festgestellt worden, daß die Funktionen der Nervenfasern aufhören, 
wenn man die zu einer bestimmten Körperregion hinführende Hauptader 
unterbindet, so daß kein Herzblut ferner hinströmen kann; das betroffene 
Glied wird in verhältnismäßig kllrzer Zeit unbeweglich, leblos, 
tot. — Ob diese Thatsache dem Dr. Heubner vor Augen stand, als er den 
Blasenhals seiner Kaninchen unterband und auf solche Weise die Blasenschleim 
haut in diphtheritische Entzündung versetzte, ist aus seiner Schrift 
nicht klar ersichtlich, wohl aber ist ersichtlich, daß er die chemischen Vor 
gänge dabei nicht ihrem Wesen nach erfaßt hat; denn auf 
S. 19 giebt er die Meinung kund: daß der Chemismus der Blut-und Lymph- 
flüssigkeit während einer 2 stündigen Unterbindung der ganzen Blase sich wohl
	        
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