Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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dadurch erregte Entzündung (Katarrh) ist aber nicht eine einfache, sondern 
komplizirt und verschlimmert durch das den Miasmen innewohnende giftige 
Prinzip, weshalb denn auch hochgradige Miasmen - Entzündungen, wenn 
nicht zeitige Desinfektion der in den Organismus gelangten Miasmen erfolgt, 
immer zur Zerstörung der entzündeten Häute führen, und den Ausgang in 
Nekrose, Ulceration, Gangrän oder Sphazelus nehmen. 
Bei den Cholera-Miasmen ist das giftige Prinzip vorherrschend; 
die dadurch bewirkte Blutvergiftung, welche nicht selten innerhalb eines 
Tages Erstarrung des Blutes und den Tod zur Folge hat, läßt dem Gift 
oft nicht Zeit, seine reizende und ätzende Wirkung völlig geltend zu machen, 
so daß sich nur hochgradiger Magenkatarrh (belegte trockene Zunge) und 
Darmkatarrh (Durchfall, Reiswosserstühle) bemerklich machen und daß in 
solchen Leichen Anzeichen von hochgradiger Darmentzündung nicht gefunden 
werden. Stellt sich aber bei der Cholera der Tod nicht so schnell ein. sei cs 
infolge der schwächeren Injektion oder infolge von verspäteterAnwcndung 
der desinfizirenden Mittel, so zeigt es sich, daß die Cholera-Miasmen in gleicher 
Weise reizend und ätzend auf die Schleimhaut des Dünndarms und Coekums 
wirken, wie die Typhus-Miasmen, daß sie wie diese Darmgeschwüre er 
zeugen, und einen Krankheitszustand herbeiführen, welcher dem Typhus in Ver 
lauf und Ausgang vollkommen gleicht und deshalb auch Typhoid genannt 
wird. Deshalb möchte ich glauben, daß das Cholera-Miasma ein zusam 
mengesetztes sei, bestehend aus Typhus-Schimmelpilzen und dem 
eigentümlichen Cholera-Miasma,' das letztere scheint mir ein Miasma 
animalischer Natur zu sein und ich habe Grund, die Hypothese aufzu 
stellen, daß es aus beflügelten mikroskopischen Tierchen besteht, welche 
am Typhus-Schimmel ihren Sitz haben. Während der zu Hildesheim 
im Herbst 1867 herrschenden Choleraepidemie nämlich beobachtete ich wiederholt 
bei nächtlichen Krankenbesuchen, daß in der Nähe von Aborten ein auffallend 
widrig riechender Schwaden aufstieg, welcher auf die Gesichtshaut ein ähnlich 
prickelndes Gefühl bewirkte, wie man empfindet, wenn man an warmen 
Sommerabenden mit dem Gesicht in einen Schwarm jener kleinen beflügelten 
Insekten gerät, welche wir „Gnitten" nennen. Wenn ich die Rückseite der 
Hände der Miasmcuquelle noch näher brachte, so empfand ich dieses Prickeln 
gleichfalls und zwar je näher, desto deutlicher und ich gewann die Überzeugung, 
daß diese Empfindung nur durch einen dichten Schwarm beflügelter Tierchen 
verursacht werden könne. Nur eine Miasmen-Spezies erregt auf der davon 
asfizirten Schleimhaut eine Art von adhäsiver Entzündung, eine eigen 
tümliche Art von Granulalionsbildung, nämlich die kontagiös-miasmatische 
Augenlidentzündung, daß aber auch die diese Augenkrankheit erzeugenden 
Miasmen giftiger Natur sind, beweist die mit dieser Krankheit immer wehr 
oder weniger verbundene kontagiösc Blcnnorrhöe. Um eine Vorstellung 
zu machen über die Art und Weise der Miasmen - Wirkung, so möchte ich 
sie mit der der C a n t h a r i d e n vergleichen; wollten die Herren Physiologen 
ihren Versuchstieren Cantharidenpulver eingeben oder an die Krone der Tier 
klauen appliziren, so würden sie ä h n l i ch e Krankheitszustände hervorrufen, als 
die Miasmen bewirken. Die MwSmen wirken aber nicht nur örtlich reizend, 
ätzend, korrodirend, gangräneszirend auf die von ihnen asfizirte Schleimhaut, 
sondern diejenigen, welche in den Magen und Darmkanal gelangen, dringen 
auch durch die cinsaugenden Gefäße der Schleimhaut ins Blut und erzeugen 
Blutvergiftung; gegen dieselbe kennt man bis jetzt keine radikale Heil 
mittel, sondern nur symptomatische Linderungsmittel, welche man so lange hilf
	        
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