Volltext: Der Naturarzt 1884 (1884)

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noch den letzteren in Arbeit genommen, erhielt ich unverhofft von Herrn Di. Sturm 
den vorstehenden, den ich akzcptirte und ihm nun weiteres beifüge. 
Zunächst will ich eine Äußerung des Epidemieologcn Professor Dr. Dräsche 
über Kochs Theorie anführen — welche wörtlich lautet: 
„Was Dr. Koch sagt, entspricht gar nicht dem Verhalten der Seuche 
in ihrem lebendigen Laufe; ich glaube nicht, daß die Pilze die Ursache, 
sondern vielmehr das Produkt der Krankheit sind! Ein schlagender Beweis 
für die Haltlosigkeit der Kochschen Theorie ist, daß bei rasch verlaufen 
den Fällen keine Pilze gefunden werden; über die Existenz derselben giebt es 
gar keine Zweifel, aber deren Bedeutung ist noch nachzuweisen! 
Eine Reaktion gegen die Ansichten Kochs muß in kurzem, vielleicht noch 
heuer eintreten! Es ist gegen alle Erfahrung, wenn man durch eine mehrtägige 
Quarantäne die Cholera abzuhalten sucht, da es ja bis zur Evidenz erwiesen 
ist, daß die Krankheitskeime im Menschen selbst erst 21 Tage nach seiner Auf 
nahme zur Entwicklung kommen!" 
Schon im Jahrgang 1871, Nr. 9 bis 12 habe ich einen längern Artikel 
über die Cholera gebracht, in dem ich zunächst die Symptome nach Bock und 
Rausse schilderte und dann aus dem bekannten Cholera-Regulativ 
des allopathischen Triumvirats „Griesinger, Pettenkofer und Wun 
derlich" den Passus „Maßregeln gegen Verbreitung der Cholera" mitteilte 
und gleich dazu aus der Kritik desselben von ihrem Kollegen Professor 
Dr. Oesterlen die saftigsten Stellen, von denen ich eine hier wiederholen 
will, da sie noch heutigen Tages giltig ist. Derselbe sagte (1868): 
„Cholera, jene furchtbarste Seuche unserer Zeit, hat wiederum die Völker 
in dieselbe, wenn nicht in eine noch größere Bestürzung versetzt, wie in den 30er 
Jahren, als dieselben all deren Schrecken zuerst am eigenen Herd kennen lernen 
mußten. Und dies nicht gerade deshalb, weil sie etwa verheerender aufge 
treten wäre als sonst, sondern ganz besonders infolge des neu verbreiteten Glaubens, 
„Cholera entstehe und verbreite sich durch ein Gift, welches im Kranken aus seinen 
Ausleerungen entstanden, in Boden, Luft, Wasser übergehe, durch den Menschenver 
kehr, durch Kranke, ja durch alle aus Choleraorten kommende wie durch deren Aborte, 
Effekten, Kleider, Wäsche, kurz durch alles mögliche sich verbreite, um so schließ 
lich ganze Bevölkerungen und Orte anzustecken und zu vergiften. Auch gingen 
diese furchtbaren Sätze nicht etwa von einsichtslosen abergläubischen Menschen 
aus dem Volke, sondern von ersten Autoritäten der Medizin und 
Wissenschaft (das Triumvirat: Griesinger, Pettenkofer, Wunderlich) aus 
und werden bis auf diesen Tag in Fakultäten, Akademien, auf internationalen 
Konferenzen, wie in tausend Schriften und Zeitungen verkündet und zwar mit 
einer Bestimmtheit und Zuversicht, wie sie nur die über jeden Zweifel 
erhabene Gewißheit solcher Lehren gestatten dürfte, versichert man uns, sie 
seien unzweifelhaft durch die zuverlässigste Thatsache von der Welt fest 
gestellt, und die allein richtigen! Ja bereits fehlt cs nicht an eifrigen 
Forschern und Mikroskopikern, die uns abermals, wie schon so oft glauben 
machen wollen, sie seien des Giftes, wie cs leibt und lebt, habhaft geworden, 
sie hätten es z. B. in Gestalt von P i l z s p o r e n oder Infusorien, mikro 
skopischen Zellen und dergl. gefaßt und gefangen trotz einem geschickten Jäger 
oder Schmetterlingsfänger! Dem Publikum aber, offenbar in der Meinung, ge 
bildete und studirte Männer, denen es Gesundheit und Leben anzuvertrauen 
pflegt, würden sich scheuen, bloße Phantasien und die prekärsten An 
sichten von der Welt als bewiesene Thatsachen öffentlich aus 
zugeben, kam nie der Verdacht, es könne sich da nur um solche Ansichten,
	        
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