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Die Arseilik-Mlltaslilagorien des vr. Hans Büchner.
Vom alten Wasserfreund.
In seinem Buche „Die ätiologische Therapie und Prophy
laxis der Lungentuberkulose" stellt Dr. Hans Büchner eine Theorie
auf, der zufolge durch kleinste täglich einzunehmende Quanti
täten Arsenik eine gewisse Immunität gegen Infektionskrankheiten,
in specie gegen Lungentuberkulose, erlangt werden soll.,, Werdas
betreffenve Buch, wie Verfasser dieses, selbst gelesen, wird sich der Überzeugung
nicht haben verschließen können, daß dasselbe lediglich am Studirtische ausge
heckt, zum größer« Teil auf kritikloser Gläubigkeit an längst widerlegte Be
hauptungen Anderer, auf Mangel an Logik und dem mit solcher nicht selten
Hand in Hand gehenden Bestreben, die Welt durch etwas ganz außerordent
liches zu überraschen, beruhe. Es würde zu weit führen, hier näher auf das
Buch selbst einzugehen. Da indessen Dr. Büchner sich für seine gesamte
Arsenik-Theorie im wesentlichen auf Erfahrungen steyrischer Arsenikesser beruft
und diese Berufung in der litterarischen Beilage zur August-Nummer des
„Natvrarzt" (IV) eine Art Zustimmung oder wenigstens keinen energischen
Widerspruchs erfahren hat, so möchte es umsomehr genügen, diese anscheinende
Erfahrungebasis einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen, als das Buch des
Herrn Büchner selbst schon von mehren medizinischen Zeitschriften in seiner
völligen Haltlosigkeit gebührend gewürdigt worden ist.
Was die Sage von den steyrischen Arsenikessern, ihrer kernigen Gesundheit
und dem hohen Alter, welches sie erreichen sollen, angeht, so begegnet man
dieser in verschiedenen Büchern, namentlich auch in „Arzneimittellehren", aller
dings stets in naivster Verquickung mit den klinisch erprobten gif
tigen Wirkungen des Arseniks, also Märchen und Wirklichkeit
in diametralstem Widerspruch, aber in jener gedankenlosen Vereini
gung, ohne welche ja die gesamte Medizinwissenschaft (?) nun einmal nicht be
stehen zu können scheint. Nehmen wir z. B. eine der neuesten „Arzneimittel
lehren", die von Dr. Rudolph B u ch h e i m, Professor der Med. in Gießen,
3. Auflage, Leipzig 1878, so finden wir S. 308 u. f., daß die Verbindung
gleich giftig und im Verhältnis zu seiner Menge* ** wirkt.
„Werden sehr kleine Mengen (heißt es ferner S. 312 a. a. O.) von
arseniger Säure (0,002—0.005 Gramm) in den Magen gebracht, so bemerkt
man keine auffallenden Funklionsveränderungen. Gewöhnlich stellt sich ein
leichtes, bald vorübergehendes Schmerzgefühl ein, welches oft für Hunger
gehalten wird und deshalb zu reichlicherem Esten Veranlassung giebt. Man
macht von diesem Umstande in der Tierheilkunde häufig Gebrauch, um die
Tiere schnell fett zu machen."
„Kehrt die Einwirkung sehr kleiner Dosen der arsenigenSäure
auf die Magenschleimhaut sehr häufig wieder, so tritt endlich
eine dauernde Störung der Verdauung ein. An die Stelle des
* Anmerkung der Redaktion. Eine Art Zustimmung kann man in meiner
zitirten Besprechung wohl nicht herausfinden, denn ich habe bloß angeführt, was Vers,
zu seiner guam Rechtfertigung dafür vorbringt, daß er ein als starkes Gift bekanntes
Apothekermittel als Schutz- und Heilmittel neuerdings zu empschleu wagt, womit doch
nicht gesagt ist, daß ich ihm durchaus beistimme und dem Wasser abtrünnig geworden;
auch hielt ich es für überflüssig, meine Leser noch besonders zu warnen, eine Arienikkur
vorzunelimen, sei es als Schutzmittel gegen alle Infektionskrankheiten, sei es speziell gegen
Tuberkulose; denn wer Lust dazu hat, thut es ja dennoch!
** S. Anmerkung S. vorher und weiter unten.