Volltext: Der Naturarzt 1883 (1883)

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Buhl und Seidel näher dargelegt ist; von k e i n e m a n d e r e n ätiologischen Mo 
ment ist bisher eine ähnliche Koindizierung nachweisbar gewesen. 
Da der G r u n d w a s s e r st a n d , welcher nicht als ein ätiologisches Moment f ü r 
sich, sondern nur als ein Index für den Wechsel im Wassergehalte oder in der Durch 
feuchtung der über dem Grundwasser liegenden Bodenschicht aufzufassen ist, nur ein 
einziges Moment ist, dessen Wert zunächst darin besteht, daß es z u e r st auf 
einen Prozeß hinweist, welcher wenigstens teilweise im Boden vor sich geht und i n 
irgend einer uns zur Zeit noch ganz unbekannten Weise mit der Typhusfrequenz 
zusammenhängt, so sind künftig auch noch weitere Momente des Bodens in den 
Kreis der Beobachtungen aufzunehmen! 
Es ist Thatsache, daß die spezifische Typhusursache von einem Orte zum anderen durch 
den menschlichen Verkehr verbreitet oder wie man gewöhnlich sagt, verschleppt wird, 
d. h. eine aus einem Typhusorte komme', de Person kann an einem anderen Orte den In- 
fektionsstoff aus ihre nächste Umgebung unter Umständen übertragen, wodurch nicht nur 
sporadische Fälle, sondern hier und da auch Ortsepidemien entstehen. 
In welcher Weise die Verschleppung aber erfolgt, woran der Jnfekttonsstoff haftet, 
ist vorläufig noch ganz unbekannt!! 
Obwohl bisher keine Nachweise beigebracht werden konnten, daß in München das 
Trinkwasser einen wesentlichen Einfluß auf Entstehung und Verbreitung des Ab 
dominaltyphus habe, im Gegenteil, alle dahin zielenden Untersuchungen bisher nur n e - 
g a t i v e Resultate ergeben haben, so ist dieses unentbehrliche Lebensbedürfnis wegen der 
großen Wichtigkeit, die es im allgemeinen und nicht bloß bei einzelnen spezifischen Krank 
heiten hat, doch stets streng im Auge zu behalten. 
Nun — was erfahren wir aus diesen Schlußsätzen bez. der Ätiologie des 
Typhus? Gar nichts, man ist nachher so gescheit wie vorher und bez. der 
erfolgreichen Behandlung des Typhus erst recht nichts! 
Anders lauten dagegen die im 6. Vortrag angegebenen Schlußsätze des 
Prof. Dr. v. G i e t l, denen ich Nachstehendes entnehme: 
Der Typhus ist eine Krankheit der F ä u l n i s st ä t t e n , aus welchen er sich a u t o ch - 
thon (selbständig) entwickelt und in Allem, was G ä h r u n g und Fäulnis befördert, 
seine Nahrung und sein Gedeihen findet, daher er vorzüglich eine Krankheit der großen 
Städte ist, wo es Fäulnisstätten in kolossalem Maße giebt, in diesen auch niemals aus 
setzt und immer und zu jeder Zeit Typhusfälle vorkommen; der Typhus ist deswegen auch 
der unzertrennliche Begleiter kriegführender Heere. 
Der e n t e r i s ch e (Unterleibs-) Typhus ist eine spezifisch putride Jntoxi- 
kationskrankheit, welche aus einer Kette von Krankheitsprozessen besteht, die sich 
unter einander bedingen, aber weder an Zahl noch Reihenfolge eine Regelmäßigkeit ein 
halten; seine Lokal Wirkung ist ein Katarrh des Nahrungsschlauches, 
die weitere und eigentümliche d. i. spezifische W i r k u n g ist eine Schwellung des 
Drüsenapparates, sowohl des Mesenteriums, als der Schleimhaut des Nahrungs 
kanals m it gewöhnlich darauf folgender S ch o r f b i l d u n g und Verschwärung; 
seine Endwirkung — Mortifikation aller Grade. 
Der enterische Typhus ist eine Vergiftungskrankheit; die Ausleerungen 
sind die Träger des Giftes, deren weitere Zersetzung und Fäulnis das Gift 
noch mehr ausschließen und dessen Verbreitung begünstigen. Wo Ausleerungen hin 
kommen, können Infektionen geschehen ; durch säkalbeschmutzte Wäsche und Kleider geschieht 
Verschleppung, wofür es ganz sichere Fälle giebt. Der reingehaltene Leib des Typhus 
kranken und dessen Leichnam stecken nicht an. Die Keimfähigkeit des Typhusgiftes hat eine 
lang. Dauer, dasselbe besitzt offenbar Jntensitätsgrade, dasselbe erreicht in seiner 
Wirkung nicht immer die spezifische Veränderung des Darmschleimhaut- und 
Mesenterialdrüsenapparates, sondern bleibt häufig bei niederen Affektionen stehen: als 
Dyspepsie, fieberlose und fieberhafte Diarrhöen, Choleraanfälle, welch letztere nicht gar zu 
selten letalen Ausgang nehmen. Es ist ein häufiges Vorkommnis, daß in einem Hause 
einige der Inwohner innerhalb weniger Tage Gastrizismen, fieberlose und fieberhafte 
Diarrhöen und nur ein paar einen ausgeprägten Typhus bekommen. 
Meine Beobachtungen führen zu der Annahme, daß vorzüglich Typhuskranke mit starken 
Diarrhöen und brandigen Zerstörungen die Infektion ihrer Nebenkranken im Hospital ver 
anlassen, ebenso daß Typhuskranke mit starken Diarrhöen und geringem Fieber den Typhus 
weiter -verbreiten können, was vorzüglich durch beurlaubte Soldaten geschieht, die aus 
Kasernett, in denen es Typhen giebt, kommen oder zu früh aus den Lazarethen entlassen 
werden und nun den Typhus auf das Land verschleppen und so in kleinen Orten und 
Dörfern Typhusepidemien veranlassen.
	        
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