Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

und approbirten Jüngers der Staatsheitkunde auf „keine Rettung mehr" 
lautet, sondern daß man dann immer noch einen Versuch mit Wasser, Diät 
und Gymnastik machen sollte, den 3 Cardinalmitteln der Natnrheilkunde! 
- Und zum Schluß ein Vivat dieser Naturheilkunde, durch welche abermals 
ein Menschenleben noch für einige Zeit erhalten wurde, das die hochweise 
Staatsheilkunde für verloren erklärt hatte! 
Zur Verurtheilnng wegen unterlassener Impfung, 
oder: 
Herr Kaufmann Hermann Oppenheim in Frallkfurt a. M. 
vor dem ApPellatioNssgerichte daselbst. 
M o t t o i 
Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo. 
Der Tropfen höhlt den Stein nicht durch Gewalt, 
sondern durch öfteres Fallen! — 
In Nr. 4 des vor. Jahrganges habe ich mitgetheilt, daß Herr Kaufmann 
Herm. Oppenheim in Frankfurt am Main wegen unterlassener 
Impfung seiner drei Kinder zu 10 Mark St rase verurtheilt worden sei. 
Ich habe ferner mitgetheilt, was er durch seinen Anwalt dem k. Gerichtsamt 
als Motiv seiner Nichtbefolgung des Jmpfgesetzes hatte erklären lassen. Ich 
erfahre nun von Herrn Oppenheim, daß er am 20. Dezember vor. Jahres 
wieder vor's Amtsgericht wegen Uebertretung resp. Nichtbefolgung des Jmpf 
gesetzes geladen und zu der hohen Geldstrafe von 150 Mark (je 50 Mark 
für 1 Kind) verurtheilt worden sei. Eine Verlesung seiner vorbereiteten 
Vertheidigungsschrift wurde auffallender Weise diesmal nicht ge 
stattet, in der er hauptsächlich Stellen aus Prof. Dr. Ad. Vogts Buch 
„Für und wider die Impfung" (s. Votivtafel) anführte, eines Mediziners, 
der diese angeblich prophylaktische Maßregel seiner Kollegen als über 
wundenen Standtpunkt geradezu lächerlich macht und das Gebahren derselben, 
den Staat zum Büttel dafür zu engagiren, als inhuman und barbarisch ver 
dammt. Er hat mir einen Abdruck dieser Vertheidigungsrede zugeschickt, wovon 
ich den Schlußpassus hersetzen will.: er lautet: 
Meine Herren Schöffen! Nachdem seiner Zeit die über den Strafpara 
graphen des Jmpfgesetzes eingeholten Rechtsgutachten die verschiedenartigste Auslegung und 
Anwendung desselben zulassen, nachdem wir im vorigen Jahre sahen, wie das k. sächsische 
Appellationsgericht in L e i p z i g die Jmpfstrafe des 0r. Martini ermäßigte, und das 
D r es d n e r Obergericht solche ganz aufhob, unter Festhaltung des Grundsatzes, 
daß überhaupt nicht mehr als einmal in dieser Sache bestraft werden solle, nach 
dem auch preußische Richter die L i n n i ch e r rückfälligen Jmpfverweigerer nur mit der 
Minimalstrafe belegten, in W ü r t t e m b e r g die einem impf renitenten Arzte 
angedrohte Strafe niedergeschlagen wurde, und überhaupt nirgends s o n st w o 
in Deutschland, soweit mir bekannt, die fortgesetzte Wiederholung des höchsten gesetz 
lichen Strafmaßes geübt wurde, will man gerade jetzt gegen mich zu dieser Methode der 
Handhabung des Jmpfzwanggesetzes schreiten. Ich bitte Sie dem entgegen durch ein mildes 
Urtheil mir den doch immer noch lästigen und opfervollen Kampf gegen diesen Zwang zu 
erleichtern, der nicht gegen die hierbei nur vorgeschobene Gesetzgebung (das Votum 
im Reichstag war seiner Zeit eine Parteisach e zwischen Ultramontanen und National 
liberalen), sondern gegen ärztliche Ueberhebung und Herrschsucht gerichtet ist 
und dem Schutze meiner eigenen Kinder weniger, als der öffentlichen Sache gilt. Bleiben 
Sie mit Ihrem Spruche der Ansicht unseres preußischen Obertribunals in der Abimpfungs 
entscheidung getreu, daß der Zwang schon ein bedenklicher und daher möglichst einzuschränken 
sei und Sie werden sich sagen dürfen, ganz so wie jene hohen richterlichen Behörden, zur
	        
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