Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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der Thiere und der Behandlung der Milch von Seiten der Ver 
käufer abzuleiten sind. Zunächst ist zu erwähnen, daß die Milch ein sehr 
empfindlicher Stoff ist, der leicht dem Verderben ausgesetzt und schon durch 
das Aufbewahren an Güte verliert; alsdann leidet sie bei längerem Trans 
port, namentlich durch wiederholtes Rütteln, ferner durch Sonnenhitze, welcher 
sie gewöhnlich auf den elenden Wagen ausgesetzt ist, hierzu komnit noch die 
Verunreinigung durch unsaubere Gefäße und schmutzige Hände, sowie ihre Ver 
fälschung und Verringerung durch die Zwischenhändler. Von wesentlichem 
Einfluß auf die Beschaffenheit der Milch ist jedoch die Fütterung und 
Behandlung der Kühe (die bauliche Einrichtung der Stallung re.). Die 
Fütterung geschieht bekanntlich auf verschiedene Weise, im Sommer zumeist mit 
grünem Futter und im Winter statt mit trockenem Heu und Klee mit Raps 
kuchen, Kartoffeln, Bierträbern, Branntweinschlempe rc.; die grüne und nasse 
Fütterung der Kühe liefert nun eine Milch, welche für gesunde Erwachsene 
zwar brauchbar, für kleine Kinder aber ganz ungeeignet ist, denn sic erzeugt bei 
denselben Magen- und Darmaffectionen mit lebensgefährlichen 
Durchfällen oder langwierigen Verdauungsstörungen, welche Krämpfe, 
Atrophie, Rhach i tis und Scrophulose im Gefolge haben ; daher 
erklärt sich nun der Umstand, daß die Flaschenkinder im Sommer 
während der Grünfutterzeit so häufig von Dwrmkrank heilen befallen wer 
den, und au den dabei vorkommenden häufigen Durchfällen zahlreich zu 
Grunde gehen, während die B r u st k i n d e r von der Sommerhitze nicht da 
hin gerafft werden, welche man früher als die Todesursache jener angenom 
men, während es doch nicht die Wärme an sich ist, die den kleinen Kindern 
schadet, sondern weil in dieser Jahreszeit die Nahrungsmittel (hier namentlich 
die Kuhmilch) eher sauer werden, sich zersetzen und so den kindlichen Ver 
dauungsorganen absolut schädlich werden; es ist hier der Ort zu bemerken, 
daß man jetzt eine P i l z a r t als Ursache des Sauerwerdens der Milch und 
der Zersetzung (Fäulniß) der Nahrungsmittel sonst annimmt, während man früher 
den Sauerstoff der Luft im Verdacht hatte. 
Nachdem man also einerseits erkannt hatte, daß thierische Milch immer noch 
den besten Ersatz für die Muttermilch abgiebt und andererseits wieder erfahren, 
daß dieselbe nicht immer und überall in der richtigen Beschaffenheit zu bekommen 
und darin zu erhalten ist, so lag es nahe, daß Aerzte und Industrielle ans den Ge 
danken kamen, an Stelle der Kuhmilch ein S u r r o g a t zu erfinden, durch welches 
Mütter, welche absolut nicht stillen können, von den Übeln Folgen der un 
gleichen und schädlichen Fütterung der Kühe und von den Betrügereien rc. 
der Milchhändler gesichert und in Stand gesetzt würden, ihren Kindern zu 
jeder Jahreszeit eine zweckmäßige und gesunde Nahrung zu geben. Man hat 
frische Kuhmilch in einen Zustand überzuführen versucht, in dem sie lange 
Zeit hindurch ihre guten Eigenschaften unverändert behält und dieses 
Fabrikat „Milchconserve" genannt. In Cham bei Zug in der Schweiz wird 
vorzügliche Alpenmilch mit einem Drittel ihres Gewichts mit Rohrzucker ver 
setzt und bis zur Honigdicke eingedampft; dann kommt diese Art Milchsyrup 
in Blechbüchsen, welche verlöthet und als „condcnsirtc Milch" in alle Welt 
verschickt werden; bei ihrem Gebrauch muß sie wieder mit der 5— lOfachen 
Menge heißen Wassers versetzt werden und soll dann alle Eigenschaften einer 
guten Kuhmilch darbieten. Ich habe in einigen Familien diese zwar etwas 
theuer zu stehen kommende Chamer Milchconserve, namentlich für den 
Sommer, loben gehört wegen der Bequemlichkeit, sie jederzeit dem Kinde mit 
Wasser vermischt geben zu können, da man ja stets einen kleinen Vorrath von
	        
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