30
hat, durch ein einmaliges flüchtiges Durch lesen selbst van einem Gutgeschulten vollständig
erfaßt werden kann re. Es ist häufig behauptet worden, daß mein Lehrgebäude in Betreff
der menschlichen Diät auf die Ansichten des Pythagoras und Anderer-gegründet sei,
welche gelehrt haben, daß der Mensch sich ausschließlich von Pflanzen nähren solle.
Nichts liegt der Wahrheit fern e r. Ich hatte zwar P y t h a g o r a s und Andere, welche
die alleinige Pflanzennahrung lehrten, gelesen, aber diese Leetüre hatte nicht den geringsten
Eindruck auf mich gemacht und als ich meine Laufbahn als öffentlicher Lehrer begann,
war mir Nichtsfremder, als der Gedanke: daß der Mensch sich ganz auf P f l a n -
z e n n a h r u n g beschränken solle.
Meine Theorie bezüglich der menschlichen Diät stützt sich weder auf die Meinungen An
derer, welche das P f l a n z e n r e i ch als die a l l e i n i g e Nahrungsquelle der menschlichen
Raee bezeichnet haben, noch ist sie überhaupt dadurch hervorgerufen worden. Mein Auge
war vielmehr beständig auf den lebenden Körper gerichtet, mit der Beobachtung seiner
Lebenserscheinungen, mit dem Erforschen seiner Lebenseigenthümlichkeitei: uub Kräfte und
der Feststellung seiner physiologischen Gesetze beschäftigt. Niemals habe ich daran
gedacht, daß je ein menschliches Wesen die Idee ausgesprochen habe: d e r M e n s ch solle
s i ch a u f Pfla n z e n n a h r n n g b e s ch r ä n k e n itub n i e nt a l s hatte i ch die.
Absicht, eine solche Be h a u p t u n g a n f z i: st e l l e n. Aber ich wurde, und
zwar lediglich durch m e i n e p h y s i o l o g i s ch e n F o r s ch u u g e n , unerwartet
und unwiderstehlich z u e i n e m s o l ch e n E 1: t s ch l u s s e g e trieb e n ! Als ich aber
zu diesen: Resultat gelangt war und anfing um mich zu blicken nnd die Geschichte der
Menschheit zu überschauen, da entdeckte ich bald, daß es hier zur Begründung meines
physiologischen Schlusses keineswegs an That s a ch e n und E r f a h r u n g e n in der
Menschenfaunlie mangle. Und als ich meine Ansichten über diesen Gegenstand öffentlich
darzulegen begann, da flössen mir sogleich von allen Seiten her Beweisführungen, That
sachen nnb Zeugnisse in Menge zu. Jeder, der mich hörte und der je etwas mit-meinen
Ansichten Uebereinstimmendes gelesen oder gehört hatte, theilte es mir bereitwillig mit. So
bin ich denn in den Besitz fast aller Thatsachen und Autoritäten gelangt, die ich bei Er
läuterung und Begründung meiner Principien benutzt habe. Aber in keine m Falle sind
diese Grundsätze e r st aus jenen mir mitgetheilten Thatsachen nnd Autoritäten hergeleitet
worden. Hier muß ich nothwendig hinzufügen, daß ich viele der vor: mir eitirten Autori
täten gar nicht gelesen habe, sondern nur durch die Güte meiner Freunde, welche sie
für mich gelesen, mit den für meinen Zweck von Anen als brauchbar erachteten Aus
zügen versehen worden bin. Kurz, ich muß wiederholt gestehen, daß ich bei allen
meinen physiologischen Erforschungen viel weniger mit Büchern, als mit lebenden
Körpern zu thun gehabt habe. Ich werde daher nicht überrascht sein, wenn Männer
von großer Belesenheit viele von mir hingestellte Ansichten bereits von Anderer',
ausgesprochen gefunden haben, mit deren Werken ich nicht bekannt bin, denn ich
habe mich immer mehr mit Beobachtung itub Nachdenken, als mit Lesen befaßt und daher
ist meine Bücherkenntniß sehr beschränkt! — Mit aller Gewissenhaftigkeit habe ich immer
nur gewünscht und gestrebt, die Wahrheit um der Wahrheit willen zu erforschen und sie
zun: Beiten der Menschheit zu verbreiten. Mit demselben tiefen und feierlichen Gefühle
der Verantwortlichkeit und deinselber: gervissenhaster: Bestreben des Geistes übergebe ich dem
Publikum dieses Werk in gedruckter Form. Gott weiß es, ich würde es nicht in die
Welt senden, wenn ich glauben könnte, daß es irgend einen unheilbringenden
Einfluß zu äußern vermöchte!
Soweit der Verfasser. Und nun will ich den Inhalt folgen lassen, der
in 12 Vorlesungen eingetheilt ist, danüt Jeder erfährt, wie der Verfasser seinen
Stoff bearbeitet hat und Lust bekommt, das Buch selbst einmal — d u r ch -
z u st u d i r e n !
Erste Vorlesung. Constitutions- und Beziehungsgesetze des Organismus; Geruchs- und
Geschmacksorgan; die Zähne; der Magen; Hunger und Durst.
Zweite Vorlesung. Einfache und natürliche Nahrung.
Dritte Vorlesung. Der natürliche diätetische Charakter des Menschen; der diätetische
Charakter der menschlichen Zähne; Speicheldrüsen und Verdauungskanal; der Mensch, die
Allesfresser und die Früchtefresser; Zeugnisse über der: natürlichen diätetischen Charakter des
Menschen, entnommen ans seinem anatomischen Ausbau.
Vierte Vorlesung. Körperliche Symmetrie bei Fleisch und Pflanzenkost. .
Fünfte Vorlesung. Gewandheit und Anmuth der Bewegungen; Stärke und Muskelkraft.
Sechste Vorlesung. Krankheit und Gesundheit: Schutz vor Ansteckung bei Pflanzenkost;
Pflanzenkost bei chronischen Krankheiten; Diät mit Bezug auf langes Leben; Diät mit
Bezug auf Fruchtbarkeit und Ertragung der Kälte.