Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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nur die Arzneilehre begreifen zu können scheint! Möge es genügen, diese einer 
seits schlechten und andererseits gutgemeinten Eigenschaften der Arznei 
mittel namhaft gemacht zu haben; die kurze Darstellung kann nur ein Vorwurf 
treffen, nämlich der, dass noch viel Schlimmeres von den Medikamenten ge 
sagt werden könnte! — 
Aber nicht ausschliesslich sind es Medikamente, mit welchen sich die landes 
übliche ärztliche Praxis befasst, sie benutzt in ihren Anordnungen auch noch andere 
Mittel, die sie aus dem Kreise der Nahrungsmittel und der der menschlichen 
Natur zuträglichen Sub st a nzen auswählt; diese heissen diätetische 
und es sollen demnach medikamentöse und diätetische Anordnungen friedlich 
neben einander hergehen, sich einander die Hände reichen und im g e m einsamen 
Wirken dem Kranken zum wahren Heile gereichen ! Es hat das auch auf den 
ersten Blick hin nichts Verdächtiges, bei näherer Betrachtung aber tritt uns Folgen 
des entgegen: Zunächst sind Medikamente durchweg schädliche Körper; denn, 
auch wenn sie ihren Zweck erfüllen, muss ihre nachtheilige Wirkung jederzeit 
mit in K a u f genommen und darnach getrachtet werden, dieselbe wieder wett 
z u m achen. Diätetische Mittel sind aber durch weg nützliche, heil 
same, dem Menschen freundliche, gewohnte und bekannte Kräfte und Ein 
flüsse. Wie können nun zum Heile eines Kranken sich nützliche und schädliche 
Gewalten mit einander verbinden? Sollen die diätetischen Verordnungen sofort 
wieder gut machen, was die medikamentösen verderben, oder sollen umgekehrt 
die Medikamente das zerstören, was durch diätetische Kräfte aufgebaut wird? 
Man wird auch aus der Unlösbarkeit dieses Räthsels leicht erkennen, dass das 
ganze Arrangement einer vernünftigen Grundlage entbehrt! Dazu 
kommt noch eine allgepriesene und auch theilweise lobenswerthe Anschauung der 
herkömmlichen Praktiker über den W e r t h oder Unwerth der Medikamenten- 
behandlung; dieselbe lautet: je weniger Medikamente ein Arzt verschreibt, 
desto grösser ist seine Befähigung zur Praxis. Sehr richtig; denn desto gründ 
licher müssen seine diätetischen Verordnungen gefasst werden! Nun heisst es weiter: 
Wer seine materia medica nicht auf den Fingernagel schreiben kann, ist kein ratio 
neller Arzt! Wäre es nicht besser, auch selbst das Schwarze unter dem Nagel nicht 
dafür herzugeben? — Jedenfalls aber ist nun d i e Folgerung gerechtfertigt: Wer gar 
keine Medikamente verschreibt, der muss doch der aller rationellste und be- 
fähigste Arzt sein! Warum stutzt man vor dieser Consequenz und warum will man 
ein so unpassendes Zweigespann, wie Medikam e n t e und Diätetik, 
durchaus immer noch zusammenkoppeln? 
Sie sind aber auch darnach, diese üblichen diätetischen Verordnungen! Dem 
Schwerkranken wird höchstens eine ganz einfache vulgo Wassersuppendiät angeordnet, 
während leichten Kranken, Kränkelnden und Leidenden zur Pflicht gemacht wird, 
Spirituosen, Saures, Fettes und Gewürztes zu meiden. Kommt dann noch hinzu, dass 
man den Schwerkranken in das Bett steckt, welches er übrigens schon von selbst 
nicht zu verlassen gedenkt und dem Leidenden noch Einiges über Kleidung und Be 
wegung an die Hand giebt, so hat man schon ein Uebriges geleistet — die Haupt 
sache bleiben immer wieder — die Medikamente! 
Soweit der Verfasser über die zur Zeit vom Staate noch beschützte allein 
seligmachende Arzn e i b e H a n d ln n g , in deren Mysterium er ja eingeweiht, 
darin aPProbiVt wurde, also es genau kennen muß! 
(Schluß in nächster Nummer.) 
Hluitrnirl sür öffentliche Gesundheitspflege. populäre Zeitschrift für sanitäre 
,4UUU IIUI Interessen. Herausgeber : Dr. D. Blsmz in W i e n. 1880. 4. Jahrgang. 
Monat!. 1 Bog. in 4° mit latem. Lettern. Preis f.Oesterr. fl. 4. —, für Deutsch!. M. 8. —- jährt. 
Inhalt der Nummern 3 und 4: 
Zur Diphtheritisfrage von Dr. G. O i d t m a n n ; zur Lehre vom thierischen 
Magnetismus; die Kleider als künstliche Regulatoren der Blutwärme und der Haut- 
belichtung von Dr. Krieger; Behandlung der Tuberkulösen von Prof. Peter; giebt 
es wirkliche originäre Kuhpocken? Eine zweite falsche Fährte bei der ärztlichen Suche nach 
der Ursache der Diphtherie irnd des Scharlachs von Dr. Oi d tma nn; die Jmpfschädigung 
in Marienwerder; die Milch der Wiederkäuer; das Licht im Dienste der Gesundbeits- 
wirthschaft; Lokales; Vermischtes; Literatur.
	        
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