Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

Zustand der Erkrankung in den der Genesung übergeführt wird. So gross 
nun auch die Zahl der Krankheitsf o r in e n, so verfolgt doch die Natur immer nur 
eine Bahn zur Heilung des kranken Organismus, indem sie denselben nämlich von 
schädlichen Stoffen befreit, ihn reinigt etc. Wenn nun jedes wahrhaft 
ersprießliche ärztliche Eingreifen nur diesen einzigen Weg gehen 
darf, so kann man auch nur die eine Heilkunst anerkennen, welche in der ra 
tionellen Lösung jener Aufgabe ihre Berechtigung sucht. So reich nun die medi 
zinische Wissenschaft fast auf allen ihren Gebieten sich entfaltet hat, so ist doch 
das für die ganze Menschheit wichtigste Feld. die Behandlung am Krankenbett, 
die sog. ausübende Heilkunst, noch bedeutend im Argen liegen geblieben. 
Worin bestehen denn die Anordnungen, die der vom Staate geprüfte Arzt, der 
sog. Allöopathe, in seiner Krankenbehandlung zu machen pflegt? Alle Welt 
weiss oder verlangt, dass sie zuerst in der Verschreibung eines Receptes, also in der 
Verordnung von Medikamenten , beruhen. Was sind nun Medikamente oder 
Arzneien ? Eine Mischung besonders zubereiteter Substanzen, welche dem natür 
lichen Verlangen des Menschen fremdartig, unangenehm und widerlich 
erscheinen. Es greifen dieselben feindselig in den Organismus ein, ja ihre be 
absichtigte W i rk u n g hängt überhaupt nur von dem Schaden ab, welchen sie i m 
menschlichen Körper anzurichten vermögen. Es ist zwar selbstverständlich, 
dass kein Arzt ein Recept verschreibt, um damit dem Kranken schaden zu 
wollen; die Arznei soll sich im Gegentheil hilfreich erweisen, indem sie ent 
weder Nachlass der Schmerzen oder Beseitigung bedenklicher Symptome, oder künst 
liche Auf- und Anregung, Betäubung und Empfindungslosigkeit hervorzubringen im 
Stande ist. Aber nur von dem durch die Arzneien angerichteten Schaden hängt 
die vom Arzte beabsichtigte Wirkung ab, da dieselbe ohne Beschädigung des 
Magens, des Gehirnes und der Nerven nicht denkbar ist! Diese schädliche Wirkung 
der Medikamente ist nun aber jederzeit wieder eine sehr unsichere! Niemals 
kann der Arzt mit Bestimmtheit darauf rechnen, dass die Erfolge, welche er bei 
Abfassung seines Receptes im Auge hatte, auch factisch eintreten werden, er 
muss vielmehr jederzeit die Befürchtung hegen, dass auch ein ganz anderer 
entgegengesetzter eintreten k a n n. Mit aller Entschiedenheit muss man da 
her behaupten, dass durch diese zweifelhafte Eigenschaft der Medikamente 
ihrer Anwendung so oft ein tödtlicher Ausgang gefolgt ist, wo man alle Berechtigung 
hatte, die Genesung zu erhöhen! 
Es giebt ferner sehr viele Arzneien, welche geradezu unter die heftigen und 
gefährlichen Gifte gehören und oft nur erst dann ihre Wirksamkeit entfalten 
können, wenn sie eine wirkliche Vergiftung des Kranken erzielt haben. 
V or s chriftsmäs sig müssen Quecksilber und J o d so lange und so stark geschluckt 
oder eingerieben werden , bis die ersten deutlichen Vergiftungszeichen zu 
Tage treten, denn erst dann ist eine durchgreifende Wirkung zu erwarten; freilich 
glaubt die Arzneimittellehre mit andern ebenfalls v erd er blichen Mitteln 
jene Vergiftungszustände wieder .bewältigen, jene selbstverschuldeten „M edizinal- 
Krankheiten“ wieder beseitigen zu können, aber wie die Erfahrung lehrt — 
mit schlechtem Erfolge; denn wie viele Merkurial-, Jod-, Arsenik- 
Kranke führen, als Krüppel ein erbärmliches Dasein und wie viele deckt die 
Erde, weil ihn ursprüngliches, nicht tödtliches Leiden, mit jenen und andern 
Medizinalgiften heroisch bekämpft werden musste ? 
Diese Wirkung der Arzneien giebt Stoff zu einer Räthselfrage , nämlich : W a s 
ist das, wovon die Gesunden — krank und die Kranken dadurch gesund werden 
sollen ? Antwort: Die Arzneien! Jedermann hütet ängstlich den Gesunden, 
ja keine Arznei zu nehmen, weil er weiss, dass sie ihm schaden werde; jeder 
weiss, dass der Genuss des Schwefels , der Blausäure, des Strychnins 
grosse Gefahren in sich schliesst, ruhig sieht man aber zu, wenn der Kranke von 
diesen Dingen geniesst und nimmt gläubig an, dass sie ihm zum Nutzen ge 
reichen werden! Jeder Gesunde flieht die Arzneien, weil er weiss, dass sie widrige 
Substanzen enthalten, die ihm Krankheiten und Siechthum zuziehen, seine 
Kräfte aufreiben, ihm Schmerzen und Beschwerden bereiten werden; hiervon ist der 
Gesunde für sich überzeugt, und doch hat er einen guten Magen , reine Säfte, 
ein frisches und wohliges Nervensystem ! Der Kranke dagegen, dem das Alles 
mangelt, der schwach und elend ist, siech an Blut und Nervenkraft, mit seinem ge 
schwächten Magen kaum die einfachste Nahrung ohne Beschwerden vertragen kann, 
er nimmt dieselben widerlichen und angreifenden Medikamente 
und ihn sollen sie heilen, ihm sollen sie Kräfte geben! Man sieht, 
dass dieses Räthsels Kern unaufgelöst bleiben muss, ein Geheimniss, welches
	        
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