Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

der Sprache, der langsame Puls, das gelbe Aussehen, der spärliche, harte 
Stuhl, die Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit und was er mir sonst noch geklagt 
habe, von einer F u n c t i o n s st ö r u n g der L e b e r herrühren! Was übrigens 
die Wissenschaft unter „L e b er e irrhose" verstehe, das wolle ich ihm jetzt 
aus meinem besten Lehrbuch der Pathologie mittheilen, schlug deshalb den 
„Felix Niemeyer" auf und las ihm Nachstehendes vor: 
Der fibröse Ueberzug der Leber und das sparsame Bindegewebe, welches als 
Fortsetzung der Glisson’schen Kapsel die Lebergefässe begleitet und das Leberparen 
chym durchzieht, ist der Sitz der instertitieilen Leberentzündung; es kommt 
dabei weder zu einem freien Exsudate , noch zu Eiter- und Abscessbildung in der 
Leber; der entzündliche Vorgang besteht vielmehr nur in einer Wucherung des 
genannten Gewebes durch Bildung junger Bindegewebselemente aus den vorhandenen. 
Während nun das Bindegewebe in der Leber überhand nimmt, wird das eigentliche 
Parenchym mehr und mehr verdrängt. In dem späteren Stadium der Krankheit 
erleidet das neugebildete Gewebe eine narbige Retraction, wobei das Leberparenchym 
zusammengeschnürt wird und theilweise verödet; die Gefässe und Gallengänge 
werden nicht selten in grosser Ausdehnung unwegsam und ein grosser Theil der 
Leberzellen atrophirt und geht unter. Das Irritament, welches die interstitielle 
Leberentzündung in der Mehrzahl der Fälle hervorruft, ist der Alkohol; sein Genuss 
ist indessen nicht die einzige Ursache und nicht alle Individuen, welche 
an dieser Krankheit leiden, und die Gewohnheit, Branntwein zu trinken, in Abrede 
stellen, dürfen als heimliche Säufer betrachtet werden. Die anderweitigen 
Ursachen sind uns aber nicht bekannt. Man unterscheidet, was den anatom 
ischen Befund anbelangt, zwei Stadien, im ersten, welches selten zur 
Beobachtung kommt, ist die Leber vergrössert, die Oberfläche aber noch glatt 
und eben; bei einem Durchschnitt sieht man das Parenchym von einer blutreichen, 
grauröthlichen Masse durchsetzt, welche der Leber ein fleischartiges Ansehen ver 
leiht ; das zweite Stadium, in welches das erste allmälich übergeht, schildert 
Rokitansky folgendermassen : Die Leber ist auffallend kleiner, als im Normal 
zustand ; die Form ist dermassen verändert, dass oft das ganze Organ nur aus 
dem kugeligen rechten Leberlappen besteht, dem der linke als ein kleiner glatter 
Appendix anhängt; auf der Oberfläche der Leber bemerkt man körnige oder 
warzige H er vorragung en (Granulationen), welchen die Krankheit den Namen 
der „g r a n u 1 i r t e n Leber 11 verdankt. Zwischen den Hervorragungen ist der 
seröse Ueberzug weisslich, sehnig verdickt, geschrumpft und nach innen gezogen 
und durch kurze und straffe Verwachsungen oder durch bandförmige Verbindungen 
an das Zwerchfell angeheftet. Die Substanz der Leber ist auffallend derb, hart 
und von lederartiger Zähigkeit; nach einem Durchschnitt trifft man dieselbe 
Granulation wie auf der Oberfläche, auch im Innern an; sie sind in ein 
schmutzig weisses, sehr dichtes, gefässarmes Gewebe eingebettet; an manchen Stellen 
ist das Leberparenchym völlig verschwunden und nur das schwielige Gewebe 
vorhanden ; die noch vorhandenen Leberzellen sind theils in fettiger Rück 
bildung begriffen, theils erscheinen sie infolge der Gallen Stauung, zu welcher die 
Compression der Gallengänge führte, intensiv gallig gefärbt; durch die Fettmeta 
mor p h o s e der Leberzellen und noch mehr durch das Pigment, welches in 
ihnen enthalten ist, erhält die ganze Leber, namentlich aber die Granulationen, die 
11 1 ‘ p h p Farbe, welche zu dem Namen — C i r r h 08 e geführt hat. 
(Schluß folgt.) 
Zortor-Zchußer, 
uuö : 
Titel „Naturarzt" einem Laien gestattet? 
Vom Herausgeber. 
Herr H. Löwe in Leipzig, gelernter Schuhmacher, Mitglied des dor 
tigen Vereins für Naturheilkunde, hat sich in seinen Freistunden durch Lesung 
verschiedener Schriften über Wasserheilkunde einige Kenntnisse von der Behand 
lung kranker Menschenkörper ohne Arznei erworben, und auch durch Besuch 
der Vortragsabende im dortigen Verein solche vermehrt, daraufhin zuerst im Kreise 
Rathertheilen versucht, auch später die Gelegenheit wahr-
	        
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