Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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zahlen muß, da habe ich mich auch w i e d e r d e r H o m ö o p a t h i e, bei der ich, wie 
Ihnen bekannt, auferzogen wurde, zugewandt und bin jetzt eine ziemlich beschäftigte Laien 
homöopathin, weil hier im Dorf kein Arzt ist oder wenigstens nur ein solcher, der 
wenig Zutrauen genießt, da er trinkt und nebenher noch ein wunderbarer, halbverrückter 
Kauz ist. Ich habe nun schon so viele gute Erfolge erzielt, daß ich bei Ihnen ein gutes 
Wörtchen für mein jetziges Steckenpferd, welches Sie oft scharf angreifen, einlegen möchte, 
denn erstens lassen sich Homöopathie und Hydropathie sehr gut mit einander ver 
einen (?) und zweitens haben sie ja die gleiche (?) Tendenz = s i e wollen nicht 
heilen, nur der Natur einen A n st o tz geben, z. B. ihr helfen, schlechte Säfte 
auszustoßen, sie kräftigen, anspornen 2c. Sie wissen auch recht gut, wie schwer eine Wasser 
behandlung in armen Häusern, bei vornrtheilsvollen Bauern durchzuführen ist, besonders 
im Winter, wo man die Patienten in die einzige Stube nimmt und wo es Mühe kostet, 
denselben nur ein wenig frische Luft zukommen zu lassen; ist es da nicht ein Segen, wenn 
man mit ein Bischen aeonit das Fieber dämpfen oder sonst ein Leiden mit ein 
paar in Wasser verdünnter Tropfen oder mit aufgelösten Kügelchen Linderung, 
sehr oft Heilung verschaffen kann? Wie viel leichter geht es, als Einwicklnngen 
und Bäder zu geben und überdies kann ich mit meinen homöopathischen Arzneien 
nie schaden (?), währenddem sich dies von unrichtiger und nachlässiger Ausführung der 
Wasserbehandlung nicht sagen läßt und selbst nachgehen und helfen wie Sie, kann ich doch 
nicht! Nebenbei' ist es nrir unbenommen, kalte Üeberschläge, nasse Socken, bei Kindern 
Bäder mit zu verordnen und Belehrung über Diät jeder Art mit meinen Mixturen 
zu verbinden. Ich gebe meine Medizinen alle unentgeltich und habe dadurch 
natürlich mehr Zulauf, durch diesen aber auch mehr Einfluß auf die hiesige Bevölkerung, 
bei welchen Laxiren, Schröpfen und Aderlässen noch die Hauptmittel spielen ! Meinen Sie 
nicht selbst auch, ich könne auf diese.Art mehr Gutes wirken, als wenn ich mich stricte 
ans Naturheilversahreu halten wurde? In meinen Familien sind deshalb Wickelungen 
und Bäder nicht ans dem Gebrauch gekommen und ich möchte keine Ausfchlagskrankheit, 
heftiges Fieber, Typhus oder sowas, ohne die Hydropathie behandelt wissen, aber bei 
kleineren Uebeln wie Schnupfen, Husten, Kopfweh, Halsweh kann man sich oft so herrlich 
mit ein paar Kügelchen Helsen, was so wenig Umstände macht und von — Vergiften 
kann dabei doch keine Rede sein! Meine Hauptpatienten sind kleine Kinder; wie viel 
leichter geht es da, ihnen ein Körnchen auf die Zunge zu legen oder ihm ein Löffelchen 
Wasser einzuflößen (wobei dieselben dann doch auch einmal Wasser zu schmecken bekom 
men , was sonst nie geschieht!), als einen Wickel herzurichten, wozu sich selten eins 
herbeiläßt! Hier gehen die Eltern bis zum Winter meist aufs Feld und dann in die 
Fabrik, da nähme man sich ja gar nicht Zeit dazu! Ein anderes großes Feld meiner 
Thätigkeit ist — Zahnweh; da gebührt denn der Homöopathie unstreitig der Vor 
rang (?), denn Üeberschläge, Sohlenbüder 2c. helfen bei vielen Arten derselben nicht; 
erstere werden selbst selten ertragen und mir, d. h. meinen Mitteln fehlt nur in ganz 
seltenen Fällen der Erfolg, selbst bei schlechten Zähnen. — Also leben und leben 
l a s s e n, n i ch t s ch r o f f v e r d a m m e n, nicht lv a h r ? Was den Impfzwang 
anbelangt, so bin ich selbst bei einem A n t i - I m p f v e r e i n ! Bei Blattern unbedingt 
Wasserbehandlung! Uebrigens bei guter Hantpflege und offenen Fenstern, auch Nachts, 
sind ansteckende Krankheiten nicht so sehr zu fürchten! Ich habe schon Typhus- und Schar 
lachkranke gepflegt ohne besondere Vorsichtsmaßregeln und habe noch Nichts abgekriegt und 
Nichts verschleppt! Was Diphtherie anbelangt, will man heutzutage auch im homöo 
pathischen Lager entdeckt haben, daß dieselbe mehr von Innen als von Außen komme, 
nicht ansteckend sei oder wenigstens nicht durch herumfliegende Pilze! Die Allöopathen 
sind überhaupt viel ängstlicher als „unsere Leut", vor Allem unser Phönix Dr. Son 
deregger ! F ü r d e n V e g e t a r i a n i s m u s k a n n i ch m i ch nicht so recht 
b e g e i st e r n ; es gäbe doch eine kuriose Welt, wenn Niemand mehr Fleisch essen 
wollte. Für viele Constitutionen mag er gut sein . aber n i ch t f ü r a l l e ; als K u r 
lasse ich mir ihn noch gefallen! — Ich glaube nicht, daß ein wenig Fleisch mit vielem 
Gemüse Mittags mehr schadet als täglich Kartoffelnknöpfle und viel süße Speisen; Obst ist 
gesund, das lasse ich gelten, aber wenn man eine angeborene Abneigung gegen 
solches hat, wie ich, was dann? Ich mag höchstens Trauben und süße Kirschen, 
sonst esse ich fast Nichts von solchem; eingekocht oder getrocknet mag ich es noch 
minder. Wein trinke ich nie. Gewürz außer Salz kommt in seltenen Fällen in 
die Speisen bei uns. Gesünder als ich bin, mit bald 61 Jahren, noch rüstiger kann man 
kaum sein, mithin tzehts mit gemischter Kost auch, wenn man nur mäßig 
und vernünftig lebt und was die Moral anbelangt, so ist ein gewisser Jemand 
kein leuchtendes Beispiel davon, daß der Vegetarianismus edler und geistiger mache! 
Sie verstehen mich doch? Aber Sie sind nicht damit gemeint! Doch ich habe nun viel 
von Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch genommen, verzeihen Sie mir, aber es drängte mich,
	        
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