Volltext: Der Naturarzt 1880 (1880)

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Gründlich studirte Chirurgie. 
Von Hheodor Kahn. 
Mir ist nach Herausgabe meiner Schrift: „Die schlimmsten Jesuiten, oder 
das Sündenregister der Medizinheilkunde" (2. Auslage, St. Gallen, Altwegg- 
Wcber 1875), in welcher ich bekanntlich an der Hand der berühmtesten Me 
diziner-Autoritäten und geschichtlicher Belege das Wissen und Können unserer 
„gründlich studirten" Mediziner als eine Unheilweise und als die verderblichste 
Geißel der Menschheit nachwies, wohl oft der Einwand gemacht worden: 
„aber in der Chirurgie unserer Mediziner liegt doch kein Grund zum Tadel 
und zur Rüge, in der Heilung der Wunden und in der heutigen Art und 
Weise der chirurgischen Operationen macht sich doch ein hohes Wissen und 
edle, heilsame Kunst geltend, und ist ein „gründliches Studium" der Anatomie, 
der Operations-, Verband-, Arznei- und Heilmittellchre als hochverdienstlich 
anzuerkennen." 
Nun, ich habe mir seither, bei der Herausgabe meiner neuen Schrift, dem 
„Hausarzt", populär-medizinische Briese, Abhandlungen und Rathschläge 
(Zürich, Cäsar Schmidt, 1878, 5 Mark, siehe ferner: Literarische Beilage dieses 
Blattes, December 1878) es angelegen sein lassen, auch über dies Heilfach 
unserer Mediziner ein Kapitelchen zu veröffentlichen, das wohl schwerlich einer 
dieser „Gründlichstudirten" offen hinter den Spiegel stecken und jedem Leser 
zugänglich machen möchte. Das Ergebniß meiner Untersuchung in dieser 
Richtung fiel eben gleichlautend aus — es war, und zwar wieder an der 
Hand der ersten chirurgischen Autoritäten, eines S t r o m e y e r (S. 38—43), 
Jackson, Meli, Marchal, Denouvillers, Lorinser, Mal- 
g a i g n e, R o s e n, D u m r e i ch e r (S. 408—420), wie jenes über die innere 
Medizin ein durchaus vernichtendes. „Ich frage — rief ich dort S. 411 den 
großherzoglich hessischen Geheimrath und Leibarzt Dr. von Wedekind an 
— ich frage, wer sind denn die Rivalen der Wundärzte in der Kur von 
Arm- und Beinbrüchen, von bösen Geschwüren u. s. w. ? Menschen, 
meistens so unwissend, wie der gemeine Bauer, sind es, 
welche ihnen den Erwerb schmälern, weil sie an einer Art 
von M e n s ch e n k e n n t ii i ß. die aus keinem anatomischen Theater er 
worben und bei keinem Professor erlernt werden kann, sie über 
treffen. Nichts Anderes auch ist es, was die alten Weiber 
zu berühmten Aerzten macht." 
Nachfolgender weiterer Beitrag zu der Kunst unserer „gründlichstudirten" 
Chirurgen mag nicht ohne Interesse für die Leser dieses Blattes sein. 
Herr R. G. aus B. war, nachdem er gegen verschiedene chronische Uebel, 
unter denen Leber- und Nervenleiden obenan standen, mehre mißglückte Bade-, 
Medikamenten- und auch eine forcirte Kaltwasserkur in Nvrddeutschland durch 
gemacht hatte, im Sommer 1874 an Herrn Dock auf die alte Waid em 
pfohlen, fand sich jedoch nach wenigen Wochen veranlaßt, die alte Waid auf 
zugeben und bei mir Zuflucht zu suchen. Er trat am 27. August ein und 
blieb hier bei vorzüglich erzieltem Erfolge bis zum 5. December. Den Winter 
über brachte er in seiner Heimath zu, um dann die im vorigen Jahre ab 
gebrochene Kur am 23. Mai 1875 neu bei mir aufzunehmen. Zwei Monate 
Aufenthalt, bis zum 28. Juli, genügten alsdann, um Herrn G. so gut in 
seiner Gesundheit zu festigen, daß er alle weitere Genesung ruhig der Zeit 
unter treuer Beobachtung gesunder Lebensregeln anheim stellen durfte. Er 
nahm nun den Wanderstab, d. h. den Alpstecken in die Hand und kletterte
	        
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