Volltext: Der Naturarzt 1863 (1863)

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die Ihnen geworden, und hören Sie nun meine Ansicht über 
den inneren Zusammenhang Ihrer verschiedenen Krankheits 
symptome und über die von Ihnen zur Hebung des ganzen 
Krankheitswesens einzuschlagenden Wege; soweit, wie thunlich, 
will ich dabei die von Ihnen aufgestellte Reihenfolge der 
Krankheitserscheinungen, resp. die Erwähnung der Organe, in 
denen sich jene kundthun, beibehalten. 
Zuerst klagen Sie über große Reizbarkeit und Erregtheit 
Ihrer Nerven; Aerger z. B., sagen Sie, bringe sofort ein 
Zittern am ganzen Leibe bei Ihnen hervor, und eine etwas 
anstrengende Arbeit körperlicher Art mache Sie gleich müde, 
errege den Puls und verursache bald Schweiß; Bergsteigen 
verschnellt Ihnen ebenfalls den Puls bedeutend, fliegende' 
Hitze überkommt Sie dabei und bald darauf fühlen Sie ein 
Brennen in der Tiefe der Brust, dem Mattigkeit und Schwäche 
folgen. Kaffee, Wein, Bier re. erregen Sie viel zu sehr und 
bringen Hitzegefühl, Brennen, Schweiß und Mattigkeit mit 
sich, so daß Sie sich dieser und ähnlicher Getränke ganz ent 
halten müssen; dasselbe geschieht, wenn Sie Speisen und selbst 
nur Suppen von Milch, Bouillon oder dergl. heiß zu sich 
nehmen. Während Nacht finden sich seit Ansang dieses Jah 
res die Finger Ihrer Hände krampfähnlich eingekrümmt. An 
Catarrh der Luftwege leiden Sie häufig, am Schnupfen fast 
immer. Auf eine Influenz mit starkem Fieber, wovon Sie 
im Februar befallen wurden, stellte sich gänzlicher Appetit 
mangel, Geschmacksveränderung, Brennen im Halse und tief 
in der Brust, wie im Rücken, zwischen den Schulterblät 
tern, ein. 
Alle diese Erscheinungen nun sind als Folgen gestörter 
normaler Blutcirculation sehr wohl zu erklären: Denn wenn 
in der ganzen Peripherie des Körpers und namentlich auch 
in dem an starken, ja den stärksten Muskeln reichen Unter 
körper das Blut nicht gehörig circulirt, so kann erstlich ein 
großer Theil des vom Gehirn und Rückenmark ausstrahlenden 
Nervenfluldums die ihm bestimmten Endziele, welche jedenfalls 
innerhalb der Arterien-Enden und Venen-Ansänge liegen und 
eine mit der äußeren Atmosphäre communiciren sollende Blut 
flüssigkeit berühren müssen, nicht erreichen, so daß eine un 
vollständige NerverArahlung entsteht, welche je länger, desto 
mehr einen nachtheiligen, unter dem Namen „Nervosität" 
bekannten Reflexzustand der Nerven-Centra zu begrün 
den im Stande ist; dann wird aber auch zweitens die direc- 
teste Folge vom Zurücktreten des Blutes aus den Capillarge- 
fäßen der Haut und der dieser Nächstliegenden Muskeln die 
sein, daß sich das Blut, welches natürlich in der Masse ziem 
lich dasselbe bleibt, wie früher (da die Verdauungs-Werkzeuge 
noch längere Zeit im normalen Zustande verbleiben und fort 
arbeiten können) belästigend auf andere Organe, namentlich 
auf Herz und Lungen, (als die theils weitesten, theils dehnbar 
sten Organe per Blutthätigkeit), überträgt, aber nach und nach 
auch durch Ausdehnung der Arterienwandungen und gleich 
mäßige größere Fülle in den inneren (oder oberen) Venen- 
Stämmen, einen Stockungs- oder Stauungszustand her 
beiführt, welcher namentlich die auf die Verarbeitung des 
Venenblutes angewiesenen großen Drüsen des Unterleibes (Le 
ber, Pancreas und Milz) bald in einen schädlichen Reizzustand 
versetzen, oder Ablagerungen in ihnen herbeiführen muß, welche 
die Bildung normaler Secrete (Galle und Darmspeichel — 
vielleicht auch Magensaft - -■) nach und nach beeinträchtigt und 
so zur Krankheit der Verdauorgane führt — während die ab 
norme Anstrengung des Herzens und der Lungen, namentlich 
bei starker Bewegung (z. B. Bergsteigen) neben einer schnellen 
. Erhitzung des Blutes und Wahrnehmung dieser Hitze, besonders 
mit den Gefühlsnerven in den Capillargefäßen, nothwendig 
auch eine momentane Ueberfüllung der noch zugänglichen Ge 
fäße in den in Anspruch genommenen Bewegungs-Muskeln 
mit ihren Nerven bedingen und bald zur Ermattung von deren 
Thätigkeit (Zusammenziehung) führen muß. Ebenso ist dabei 
das leichte Schwitzen von der Beschaffenheit der Capilla- ff 
rität in der Haut verursacht Denn wenn der Verschluß (Ver- . 
ödung, Verschrumpfung) vieler Capillargegenden ohnedies, wie 
wir gesehen, zu größerer Hitzeentwickelung führen muß, also 
zu dem physikalischen Zustande, unter dessen Eintritt auch 
höhere Elektricitätsanhäufung und resp. Wasserbildung inner 
halb gasartiger Medien, wie sie die nach Außen strebende 
sogen. Ausdünstung darstellt, Statt hat, so muß diese Bil 
dung wäßriger Ausdünstung (Schweiß) durch den Verschluß 
vieler Ausgangs-Röhren (Poren — Schweißcanäle) auch noch 
deswegen direct begünstigt werden, weil die noch offenen Canäle, 
wenn sie die übrigen vielen verschlossenen übertragen müssen, 
jedenfalls bald in den Zustand der Erschlaffung verfallen, der 
eine Widerstandsfähigkeit gegen den Durchgang in Wasser- 
form, der eben von der Natur in der Regel nicht gewollt er 
scheint, mehr und mehr aufhebt. 
Leichtes Schwitzen verräth daher dem Arzt am besten den 
mangelhaften Zustand einer Haut, und da die äußere Körper 
haut, wegen ihrer durchweg mit Ausgangscanälen übersäeten 
großen Fläche, ebenso als Ausscheidungs-, als wie als Ein- 
athmungs-Organ der allerwichtigste Theil unseres ganzen Or 
ganismus erscheinen muß, so legt auch der wahre Naturarzt 
den allergrößten Werth auf den guten Zustand der Haut, 
und all' sein Bestreben muß da, wo sich ein solcher nicht vor 
findet, dahin gehen, ihn zuerst zu schaffen, da ohne ihn jede | 
weitere Kurmanipulation mehr oder weniger nutzlos ist. Feh- , 
lerhafte Blutcirculation und mangelhafte Hautbeschaffenheit ist 
daher in den meisten Fällen ein und dasselbe, wenn ich damit 
auch nicht sagen will, daß nicht bisweilen schon blos wegen 
krankhafter Beschaffenheit der Arterienausläufe im Unter 
körper, besonders in den Füßen, und bei sonst ganz 
leidlichem Kraftzustand der übrigen Körperhaut, Einseitigkeit 
oder Kongestion der Blutmasse, in ihrer Richtung nach oben, 
vorhanden sein könne. Immer aber wird ein anfänglich nur 
in den Füßen vorhandener Mangel von Blutcirculation all- • 
mälig auch die Circulation in der übrigen Hautfläche stören 
und zwar um so schneller, je weniger Vernünftiges zur He 
bung des Fußleidens und zur Aufrechterhaltung der allgemei 
nen Hautfunction zugleich angewendet wird. 
Bei normaler Blutcirculation (also vollem Wär 
megefühl) in den Füßen und der äußeren Haut giebt 
es keine Congestionen (keine hyperämischen, hyper 
trophischen, plethorischen Zustände) in irgend einem 
Theile des Körpers! Das ist ein unumstößlich wahrer 
und so richtiger Satz, daß ihn-Jedermann schon in der Ele 
mentarschule eingeprägt, freilich aber auch feine (physiatrische^ 
Benutzung gelehrt bekommen sollte. Denn er ist die Summe 
aller prophylactischen und therapeutischen Weisheit, ein Stecken 
und Stab, dessen richtige Handhabung Jedermann glücklich 
durch Mangel und Fülle, durch Trübsal und Freude der ir 
dischen Pilgerfahrt geleiten würde. 
Sie leiden nun ebenfalls, und namentlich beim Sitzen, 
am leichten Kaltwerden der Füße und fühlen dann 
das Blut schnell mach Brust und Kopf steigen; Sie glauben — 
. und dies sehr mit Recht — diesem Umstand sehr wesentlich die 
öftere Eingenommenheit und Schwere des Kopfes auch die
	        
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