Volltext: Geschichte des salzburgisch-oberösterreichischen K.u.k. Infanterie-Regiments Erzherzog Rainer Nr. 59 für den Zeitraum des Weltkrieges 1914 - 1918

Abendandachten, die bei Retablierungen gehalten wurden, besuchte er gern. Die Sakra¬ 
mente empfing er lieber, wenn ihn eine Kirche zum Gebet und zu stiller Einkehr in sich selbst 
einlud, als draußen im freien Felde. 
Wichtig war die Versorgung mit für ihn passendem Lesestoff, was vor allem Sache des 
Kuraten war. Kalender erfreuten sich der größten Beliebtheit, dann die Zeitungen der engeren 
Heimat. Kein anderes Blatt war ihm so willkommen wie eine Salzburger Zeitung, die „Neue 
Warte" oder die „Salzkammergutzeitung". Damit ist aber nicht gesagt, daß nicht auch sehr 
ernste Lektüre von einzelnen studierend und grübelnd gelesen wurde. So zeigten manche Ge¬ 
schmack an den philosophisch-pädagogischen Schriften von F. W. Förster und auch an dem 
herrlichen Büchlein von der Freude des Bischofs von Keppler. Bon den religiösen Schriften 
bevorzugte der Rainer das Evangelium, in seltenen Fällen auch die Nachfolge Christi. Das 
Marburger Perikopenbüchlein war ihm als Ersatz für Sonntagsfeiern besonders lieb. 
Bewunderungswürdig waren die Rainer als Verwundete. Klagen und Weinen hörte 
man ungemein selten, höchstens einen einzelnen Schrei, ein kurzes Stöhnen, ein Rufen nach 
der Mutter, nach dem Weibe, das allzu großer Schmerz den Lippen erpreßte. Auch im Unglück 
erblickte er eine Schickung Gottes, der er sich demütig beugte. Diese heroische Standhaftigkeit 
fiel besonders auf, wenn neben Rainern Verwundete anderer Nationalitäten oder Stämme 
lagen. Nicht selten war es der weit schwerer verletzte Rainer, der den Nachbar aufrichtete 
und tröstete. 
Gegen den Besuch des Priesters sträubte sich der Berwundete nie. Gewann der Kurat 
den Eindruck, der Zustand sei sehr ernst und der Empfang der heiligen Sterbesakramente 
geboten, so durfte er ruhig davon sprechen und konnte dankbaren Entgegenkommens des Ver¬ 
letzten sicher sein. Beim Empfang der heiligen Sterbesakramente offenbarte sich häufig ein 
ganz wunderbar rührender, vertrauensvoller Kinderglaube in den Äußerungen der Sterbenden. 
Ohne Zögern und Zagen stellten sie sich und das Ihre der Borsehung Gottes anHeim, beteuerten 
zu wiederholten Malen, nur das zu wollen, was Gott für gut finde. Nach Hause dachten sie 
wohl alle in den letzten Augenblicken, trösteten sich aber fast immer selbst wieder durch die 
Hoffnung auf ein schönes, freudiges Wiedersehen im Jenseits, das kein Trennungsschmerz 
vergällen kann. Ohne große Bitterkeit sprachen sie wie wahre Helden vom herannahenden 
Tode, erteilten ohne besondere Aufregung Aufträge an ihre Angehörigen. Oft baten sie noch 
„ums Einschließen: Geln S', tuan S' mi halt nöt vergessen." And wahrhaftig, es ist keine 
Gefahr, diese Braven, von deren Tod man Zeuge gewesen, jemals zu vergessen. 
Vom Sanitätsdienst bei den Rainern 
Vom letzten Regimentschefarzt Oberarzt Dr. Karl Neumann 
In diesem Familienbuche der alten Rainer darf nicht versäumt werden, dankbar des 
Heldentums des Sanitätspersonals zu gedenken, jenes Heldentums, das sich in aller Stille 
vollzog, gar oft sogar denen nicht zum Bewußtsein kam, denen im Sturm und Drang des 
Kampfes Schutz und Heil von ihm zuteil wurden. Ist doch seine Betätigung der Ausfluß edelster 
Menschlichkeit, der Gipfel wahrer Kameradschaft, dieser besonderen Soldatentugend. Der 
Blesstertenträger der Infanterie steht an Tapferkeit und Opfermut dem Plänkler nur wenig 
nach, überragt jedenfalls alle anderen Zweige menschlicher Hilfeleistung. 
Der Blesstertenträger soll todesmutig, kräftig und besonnen sein, woran es bei den 
Rainern nie fehlte. Die den Salzburger und oberösterreichischen Landleuten innewohnende 
Hilfsbereitschaft füreinander — trocken in ihren Äußerungen, doch innig und fest in ihrem 
Kern — trug gerade in diesem Dienste stets die reichsten Früchte. Ein Rainer verläßt seinen 
in Rot geratenen Kameraden, oder wie er sich lieber ausdrückt, „seinigen Kollegen" nie und 
nimmer. Wieviele Versuche wurden von ihnen unternommen, vor der Front liegengebliebene 
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