Volltext: Erstes Bändchen. Beiträge zur Landes- und Volkskunde des oberen Mühlviertels. (1. 1912)

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Sonst waren wir immer allein und spielten in den Tag hinein, dabei verrannen 
die Stunden, vergingen Wochen und Jahre. Bald saß ich mit meiner Schwester 
an einem Plätzchen und wir zählten die Schwalben, die da vorüberflogen; dann 
wieder spielten wir „Fleischhauer" mit zerschnittenen Kohl- und Salatblättern; 
dann wurden wieder zerbrochene Puppen mit feierlichem Ritus bestattet. Eines 
Tages brachte der Vater Hasen, und da hatten wir durch Wochen nur Aug und 
Ohr für diese. Jubelnd wurde der Befehl entgegengenommen: „Kinder, das Taubenhaus 
muß heute gereinigt werden!" Der Vater trug das Taubenhaus vom Garten 
herein in das geräumige Vorhaus, Türen und Fenster wurden geschlossen und bald 
flatterten die Turteltauben um unsere Köpfe. Wenn wir fertig waren, dauerte es 
meist ziemlich lange, bis wir die Tiere wieder eingefangen hatten. Wir stellten uns 
absichtlich ungeschickt an, damit dieses Vergnügen sich recht in die Länge ziehe. 
Aber all dies vermochte nicht das Lustgefühl zu übertreffen, das ich empfand, 
wenn ich aus dem nahen Dorfe Milch oder Rahm holen mußte. Das Dorf lag 
ungefähr fünf Minuten von dem Schulhause entfernt und bestand aus zehn bis 
fünfzehn Bauernhäusern. Es war immer Musik in meinen Ohren, wenn die 
Bäuerin sagte: „Muaßt halt a weng warten!" Im Nu war ich bei einem oder 
mehreren Schulkameraden und schnell wurden einige „Bot mit Kugeln gespielt, bis 
mich viel zu früh die Bäuerin an meine höhere Pflicht gemahnte. 
Eines Tages ging ich wieder Milch holen. Das irdene Gefäß beim Laufen 
im Kreise schwingend näherte ich mich der offenen Türe, die in den Hof des 
Bauernhauses führte. Da blieb ich mit verhaltenem Atem und erschreckten Augen 
an der Schwelle stehen. Mitten im Hofe balgten sich nämlich Knecht und Mägde 
schreiend und wieder lachend um einen halbgewachsenen Jungen, der sich mit 
fürchterlichem Kreischen zur Wehre setzte, als ginge es ihm an das Leben Von 
Zeit zu Zeit sah ich, wie ein Knecht die Hand in ein irdenes Gefäß steckte, das 
ihm ein Mädchen mit boshaftem Lachen entgegen hielt. Unter stürmischen Be- 
geisterungsrufen fuhr er dann dem Armen um Gesicht und Hals und, als man 
den Jungen unter höhnischem Gelächter freiließ, stand er da, schwarz wie ein 
Mohr über und über mit Ruß bestrichen. Unter Spott und beißenden Zurufen 
verließ er eiligst den Hof; man lachte noch eine Weile, dann löste sich die Gruppe 
auf und jedes ging wieder seiner Arbeit nach. 
„Was war das?" 
Mit schlotternden Knien stand ich immer noch unter dem Turbogen und traute 
mich nicht hinein in das mir so lieb gewordene Bauernhaus. Da packte mich die 
"Kleine Dirn" bei der Hand und führte mich unter beruhigenden Worten in die Stube, 
wo meine nassen Augen dem Bauer und der Bäuerin ein Lächeln entlockten. 
Dir gschiacht nichts. Du hast uns ja d'Stadelhenn nöt bracht!" 
Ja was ist denn das?" fragte ich mit weinerlicher Stimme. Der Bauer 
ließ sich in seinen Lehnsessel nieder, nahm die kurze Pfeife vom Fensterbrett, 
stopfte sie. ohne ein Wort zu sagen, langsam an, fuhr mit dem Schwefelzund- 
hölzchen über die spiegelnde Hose, zog einigemal herzhaft an der Pfeife, daß sich 
der Mund in eine Unzahl von Falten und Fältchen legte, blies den Rauch zur 
Seite und dann hub er voll Ernst zu reden an und sagte: 
„Wann a Baua ausdroschen hat, dann muaß der, der mit der Drischel den 
letzten Schlag tuat, dem Nachbarn die Stadelhenn bringa." 
Ja was ist denn das, die Stadelhenn?" 
Statt aller Antwort erhob sich der Mann, ging langsamen Schrittes durch 
die Stube, holte sich vom Ofen einen langen Holzspan und entnahm dem Kessel
	        
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