Volltext: Conrad von Hötzendorf

SCHWERPUNKT IM OSTEN 
sich mit dem „Zweifrontenkrieg“, aber auch mit der einheit¬ 
lichen Führung des Bündniskrieges zu beschäfti¬ 
gen. Die Operationspläne aus dieser Zeit beruhten auf dem 
„Schwerpunkt im Osten und der Verteidigung im Westen“. Eine 
rasche Offensive der Österreicher zwischen Bug und Weichsel, 
vereint mit starken deutschen Kräften zwischen Weichsel und 
den Masurischen Seen, sollte die im Raum Warschau—Lomza— 
Brest-Litowsk versammelten russischen Kräfte zangenartig an¬ 
fassen und vernichten. Moltke wollte vermeiden, daß der 
Bundesgenosse durch die überlegene russische Masse frühzeitig 
erdrückt werde. Bei diesem Kampf um Zeitgewinn zog 
Moltke selbst einen Rückzug über den Rhein in Erwägung. Der 
im Jahre 1891 berufene Generalstabschef Graf Schlieffen emp¬ 
fand nicht die gleiche Sorge vor einem gleichzeitigen Krieg im 
Osten und Westen und wollte — im Gegensatz zu Moltke — im 
Falle eines Krieges nur schwache Kräfte in Ostpreußen belassen. 
Lediglich 13 deutsche Divisionen sollten an dem gemeinsamen 
Angriff mit den östlich der Weichsel vorgehenden k. u. k. Trup¬ 
pen teilnehmen. Hiebei erschien Schlieffen das einfachste, wenn 
„jeder der beiden Verbündeten für sich vom Vorteil des schnel¬ 
leren Aufmarsches Gebrauch mache, seine Kräfte Zusammenhalte 
und den Feind in Vereinzelung schlage“. Diese Auffassung 
bürdete dem Verbündeten die Hauptlast auf. Schlieffen hielt 
eine frühzeitige Offensive der Österreicher für unbedingt notwen¬ 
dig, tat aber, wieder im Gegensatz zu Moltke, nichts Ausreichen¬ 
des, um den Erfolg zu sichern. Dieser Plan, der unter der 
Voraussetzung einer genügenden Rückendeckung gegen Rußland 
vielleicht noch seine Berechtigung hatte, bedurfte dringend einer 
Umformung, als die Annexionskrise blitzartig den Ernst der Ein¬ 
kreisung der Mittelmächte erkennen ließ. Diese gab zwar die 
Veranlassung zu einem Gedankenaustausch der beiden General¬ 
stabschefs, der aber keine volle Klarheit über die Führung des 
Bündniskrieges schuf. „Conrad glaubte an die zugesagte deutsche 
offensive Unterstützung, während Generaloberst von Moltke bei 
Kriegsausbruch die Sicherung Ostpreußens für wichtiger hielt.“ 
„Auf diesen unklaren Grundlagen bauten sich die operativen 
Maßnahmen für den schwersten Gang eines Bündniskrieges auf, 
bei dem es um Gedeih und Verderb zweier großer Völker und 
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