Volltext: Conrad von Hötzendorf

DIE MUTTER 
nungen aus der Jugendzeit ist heute noch erhalten. Er bevor¬ 
zugte Landschaften und zeichnete gern Pferde, die in seinen 
Skizzen immer wiederkehren. 
Als Conrad sich dann endgültig entschlossen hatte, seine 
Zukunft im Generalstab zu suchen, schenkte er, um jede Ab¬ 
lenkung von vornherein auszuschließen, seine Mal- und Zeichen¬ 
requisiten einem Neffen, dem heute noch lebenden Kunstmaler 
Manlick. 
Vom zweiten Semester der dritten Klasse an besuchte Conrad 
die öffentliche Schule. 
Besonders innig war das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. 
Conrad hatte ihre Haupteigenschaft, das hohe Pflichtgefühl, ge¬ 
erbt. Mit aufopfernder Gewissenhaftigkeit nahm die Mutter an 
der geistigen Entwicklung des Sohnes teil, sie überwachte seine 
Studien und half ihm bei den Schulaufgaben. 
Die Mutter blieb Conrad sein ganzes Leben hindurch Stütze 
und Mahnung zur Pflicht; ihr Einfluß hielt noch an, nachdem er 
die höchsten Stufen militärischer Hierarchie erklommen hatte. 
Wer die alte würdige Dame während ihrer letzten Lebensjahre 
in dem einfachen Haushalt in der Reisnerstraße in Wien be¬ 
suchte, empfand es an jedem Wort, daß sie, die Gatten und 
Tochter verloren hatte, nunmehr all ihre Zärtlichkeit auf den 
Sohn vereinte — nicht aus Stolz auf seine hohe Stellung, sondern 
voll Sorge um seine durch die Aufregungen des Berufes bedrohte 
Gesundheit. 
Als Conrad in den Jahren 1878 bis 1882, im Drange, den 
Krieg kennenzulernen, seine Versetzung zu einem der mobili¬ 
sierten Verbände erbat, gab ihm die Mutter trotz ihrer Sorgen 
recht. Sie verstand das Streben ihres Sohnes nach dem „Kriege“, 
dem letzten Endes sein Studium galt. 
Conrads Mutter starb im Jahre 1915 als neunzigjährige 
Frau; sie hat bis an das Ende ihres reichbewegten Lebens in 
voller geistiger Frische die schicksalsschweren Ereignisse ver¬ 
folgt, an denen ihr „Franz“ entscheidenden Anteil nahm. Aus 
der Ferne hat sie seinen Kummer über die schmerzlichen Ver¬ 
luste geteilt, die getragen werden mußten, um die Feinde von 
der Heimat fernzuhalten. Es war ihr aber auch vergönnt, den 
Triumph des Sohnes zu erleben, als nach der Offensive von Gor- 
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