Volltext: Conrad von Hötzendorf

CONRAD UND DER THRONFOLGERMORD 
vermied, was geeignet gewesen wäre, Zündstoff in den glim¬ 
menden Brand zu werfen. 
Die Ereignisse des 28. Juni 1914, an dem das Thronfolger¬ 
paar durch Mörderhand fiel, sind bekannt. Vom Standpunkte 
der Kriegsschuldfrage ist das persönliche Verhalten Conrads in 
den Tagen unmittelbar nach dem Mord bezeichnend. Das erste 
Gerücht über das Attentat traf ihn am 28. Juni um 2 Uhr nach¬ 
mittags in Agram, auf der Durchreise nach Karlstadt, wo sich 
die Teilnehmer an der Generalsreise zu versammeln hatten. 
Dort erhielt er das die erschütternde Tatsache bestätigende Tele¬ 
gramm und die Berufung durch Se. Majestät nach Wien. Die 
Generalsreise wurde abgesagt. 
Einem an mich gerichteten Schreiben Conrads vom 2. Juli* 
entnehme ich folgende nichts weniger als Kriegslust atmende 
Stelle: „Daß ich hier (in Wien) in einem wenig benei¬ 
denswerten Trubel bin, wirst Du mir glauben, ebenso, daß 
ich eine wahre Sehnsucht nach etwas Ruhe habe. 
Aber es scheint für mich ausgeschlossen zu sein; weiß Gott, ob 
ich mich überhaupt werde von hier wegrühren können, und 
weiß Gott, was dieser Sommer noch bringt. Die Berichte aus 
Bosnien und der Herzegowina lauten immer beunruhigen- 
d e r.“ 
Nicht minder bezeichnend für Conrads Einstellung zum Krieg 
ist seine Audienz beim Kaiser am 5. Juli 1914. Conrad schreibt 
darüber: „Am Schluß der Audienz war Se. Majestät freundlich 
wie immer und bemerkte: ,Am Dienstag gehe ich nach Ischl/ 
Ich bat Se. Majestät, falls die Krise abflauen und es 
die Lage zulassen sollte, für einige Tage nach Tirol gehen zu 
dürfen, was Se. Majestät mit den Worten bewilligte: Selbst¬ 
verständlich, Sie müssen sich ja auch erholen/ “ 
Diese Einzelheiten beleuchten mehr als Akten und Dokumente 
die Stimmung Conrads unter dem unmittelbaren Eindruck der 
Mordtat. Kein Wort der Empörung, der Drohung, der Rache, 
lediglich die Sorge vor den möglichen Folgen! 
* Siehe den Auszug aus diesem Brief auf der nächsten Seite. 
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