EIN BEMERKENSWERTES BUCHGESCHICK
Es ist auffallend, daß das Feuerwerkbuch erst nach mehr als 100 Jahren gedruckt ist, nach
mehr als 80 Jahren seit Erfindung der Buchdruckerei, die vor ihm manches Minderwer¬
tige unter die Presse genommen hatte. Die einzige Erklärung liegt darin, daß jeder Büch-
senmeister, jeder Fürst und etwa auch jede Stadt, überhaupt jedermann, der sich im
glücklichen Besitz dieser wertvollen Geheimnisse befand, diese nicht der Öffentlichkeit
zugänglich machen wollte, auch wenn vieles bereits durch die Weiterentwicklung der
Waffen überholt war. Für die trotzdem große Verbreitung unter den Büchsenmeistern
und in sachkundigen Kreisen legen die zahlreichen, heute noch erhaltenen Handschriften
beredtes Zeugnis ab. Dabei ist die im vorhergehenden Abschnitt gegebene Übersicht über
diese bei weitem nicht vollständig, läßt aber auch so schon schließen, daß damals noch
sehr viel mehr dieser Lehrbücher unter der Hand weitergegeben waren. Von kaum einer
anderen weltlichen und vor allem technischen Handschrift ist eine derartige Verbreitung
feststellbar.
Teile daraus gingen in unzählige andere naheliegende Handschriften über. So sind bei¬
spielsweise in einer solchen aus dem Jahr 1450 über Fortifikation und Taktik ganze Ab¬
schnitte, allerdings mit eigenen Zusätzen, daraus entnommen, was schon aus der Über¬
schrift des einen Abschnittes ohne weiteres erkennbar ist: „Womit und wie sich ein Mann,
eh’ er belagert wird und auch in einer Belagerung vorsehen soll, daß er sich seiner Feinde
desto länger erwehren mög.44 Die Bearbeiter dieser Handschrift haben sich dann den
Kopf darüber zerbrochen, wie die Hinweise auf die Rezepte und sonstigen Angaben „in
dem Buch44 zu deuten seien, da in dieser Handschrift nichts darüber gefunden werden
könne1. Daß solche Stellen mit den in diesem Zusammenhang sinnlosen Hinweisen ohne
Quellenangabe, wie das so üblich war, eben aus dem Feuerwerkbuch auch von anderen als
Büchsenmeistern abgeschrieben waren, liegt für Kenner des Buches auf der Hand. Aber
solche Kenner gab es und gibt es bis heute noch unter den Geschichtsschreibern leider zu
wenig. Genug, auch dieses Beispiel beweist, in wie hohem Ansehen „das Buch44 bei allen
deutschen Schriftstellern stand, die es kannten, und wie weite heimliche Verbreitung es
bereits 1450 gefunden hatte.
Als es dann 1529 zum erstenmal in Augsburg durch Heinrich Stainer als Anhang zu „Vier
Bücher der Ritterschaft44 des Flavius Vegetius Renatus in der vorstehenden Fassung im
Druck vervielfältigt wurde, konnte offenbar der Nachfrage kaum entsprochen werden.
1 Vgl. Generalmajor a. D. G. Schröder, Eine deutsche Schrift über Befestigungswesen, älter als Dürers. Archiv für die Art.- u.
Ing.-Offixiere, Berlin 1890, Bd.97, S. 26 bziv. 54—56, Note 22, 24, 27, 29.