derten zur Herrschaft über die Welt auf. Am Anfang dieses Ringens aber stand das Pul¬
ver und die Schußwaffe. Deutschland dagegen durchlebte das „Heilige Römische Reich
deutscher Nation“ nur als Gebilde des Sehnens, Höffens und Wünschens. Es rang um seine
Staatenbildung in einem fast dauernden Kriegszustand, es kämpfte gegen die deutschen
Kaiser, die noch über Frankreich, die Schweiz, Spanien, Teile von England und Italien
geboten, vielfach im Ausland ihren Sitz hatten, bisweilen Deutschland nur durch vorüber¬
gehenden Besuch oder gar nicht kannten, der deutschen Sprache oft nur mangelhaft
mächtig waren (Karl V.); es kämpften Fürsten gegen Bischöfe, Städte gegen Ritter, und
Bürgerkriege waren nichts Seltenes. Aber etwas Gutes war die für alle Zukunft dauernde
Folge: Deutschland entwickelte seine Intelligenz, ohne die eine rasche Entwicklung der
Bild 41. Büchse auf Holzstangenlager aus ältester Zeit im Germanischen Museum. Geschütz oder Handrohr?
Entn. Essenwein A X
dazu notwendigen Rüstung, vor allem der Schußwaffe, nicht denkbar war, und Deutsch¬
land erzog sein Volk zu dem stahlharten Willen, sich durchzusetzen, mit allen Mitteln,
auch, wenn es sein mußte, mit Waffengewalt. Schule und Kriegertum, Gelehrte und Für¬
sten, Erfinder und Naturforscher endeten am Schluß ihres Zielstrebens — bisweilen klar
in die Zukunft schauend, wie der oben zitierte Humanist, bisweilen nur ihrem dunkelen
Drange folgend, wie Albertus Magnus und der Deutsche Ritterorden — in nur einem
begrifflichen Inhalt des weltlichen Sehnens: deutsch — das Reich!
So nimmt es nicht Wunder, daß die erste Urkunde über die Benutzung von Pulverwaffen
von den deutschen Rittern von Spilimberg und Franz von Krusberg oder Kreuzberg
Kunde gibt, die mit Handrohren (sclopi) und Geschützen (vasa) vor 600 Jahren, 1331, die
Stadt Cividale im Friaul angriffen1. Und bevor nicht der Beweis erbracht ist, daß die
Chinesen vor uns Salpeter und Schwarzpulver als Kriegsmittel verwendeten, darf dem
Volksglauben und dem früher allgemeinen Urteil des Auslandes recht gegeben werden,
1 VgJ. Quellen-Verzeichnis (e).
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