Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

handelt, Pfeile, Stangen, „Klötze„Hagel“ (86, 87, 89). Das Schießen mit Pfeilen schloß 
sich unmittelbar an den bis dahin und noch lange danach üblichen Gebrauch der Arm¬ 
brust an, die als Kriegswaffe erst 1507 von Maximilian I. (1493—1519), in England sogar 
erst 1627 abgeschafft wurde. Sie und der Bogen bewährten sich in der Anfangszeit der 
Pulverwaffen als ernsthafte Konkurrenten, da ihre Schußgeschwindigkeit (12 Pfeile in 
der Minute) sehr viel größer war als die der Handrohre (1 Schuß in 15 Minuten) und die 
Treffsicherheit und Durchschlagskraft auf eine Entfernung von 200 Schritt (150 m) der 
Kugel nicht nachstand. Das Pfeilschießen, das ebenso wie aus der Büchse auch aus dem 
Handrohr stattfand (Bild 76), spielte daher noch recht lange eine Rolle, obwohl damit 
der technische, wirtschaftliche und kriegerische Wirkungsgrad der Pulverwaffe vollkom¬ 
men verkannt wurde. Noch 1449 sind aus Osterode i. Pr. in den Rechnungsbüchern des 
Marienburger Deutschen Ritterordens Büchsenpfeile nachgewiesen, was um so auffallen¬ 
der erscheint, als von ihm an der Entwicklung der Pulverwaffen mit regem Eifer und 
gutem Erfolg gearbeitet wurde und seine Ritter schon 1338 Handbüchsen gehabt haben 
sollen1. 
Die pulvergetriebenen, mit einem eisernen Kopf versehenen Stangen dienten zum 
Brescheschießen und stellen die Weiterentwicklung der bis dahin am Fuß der Mauern 
handbetätigten Widder und Sturmböcke dar. Wesentliche Bedeutung haben sie gegen¬ 
über den Kugeln aus den schweren Belagerungsgeschützen nicht erzielen können. 
Etwas ganz Neues bedeutete dagegen das Schießen eines „Hagels44 oder „Igels44, dessen 
etwa, was später Kartätsche hieß. Statt der einen und kalibermäßigen Kugel wurden mög¬ 
lichst viel kleine Kugeln (hier werden 400 genannt) oder eiergroße Steine oder kleine 
Eisenstücke, gehacktes Blei o. dgl., entweder in Lehm gebettet oder lose liegend, vor den 
Pulverklotz geladen und gegen die anrückenden Feinde geschossen. Noch Jahrhunderte 
später griff man bei den Infanteriepatronen auf solchen „Hagel44 zurück. In Kursachsen 
wurde 1739 eine „Kartätsch44-Patrone vorgeschlagen, in der auf die Ladung von 3 Quent 
Pulver ein Holzklotz (Spiegel) gesetzt und dann 8 Kugeln untergebracht waren. Jeder 
Mann erhielt 1741 neben den sonstigen Patronen acht solcher „Kartätsch44-Patronen, die 
in der Schlacht von Kesselsdorf eine verheerende Wirkung gehabt haben sollen. 
Neu war sodann auch das Abschießen von mehreren „Klötzen44 (Kugeln) hintereinander, 
wenn man von der alten „Römerkerze44 absieht, die noch keine festen Geschosse, sondern 
Feuerballen verschoß, also noch kein Geschütz war. Die aufeinanderfolgenden Kugel- 
Pulver-Ladungen standen miteinander in Feuerverbindung und entzündeten sich nach¬ 
einander, nachdem die vorderste Pulverladung nach Art der allerersten Geschütze von 
der Mündung aus in Brand gesetzt war. Da bei einem solchen Verfahren nur vor dem 
ersten Abschuß das Geschütz gerichtet werden konnte, mußte die Treffwirkung gering 
sein; auch die Dänen, die sich solcher „Klotzbüchsen44 unter dem Namen „Espignolen4" 
sogar noch bei der Verteidigung der Düppeler Schanzen 1864 bedienten, konnten damit 
deren Eroberung nicht verhindern. 
1 C. v. Decker, S. 31. 
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