Volltext: Das Feuerwerkbuch von 1420

für die Kugel. Tatsächlich ist auch in der Münchener Handschrift 600 (b2) ein Mann dar¬ 
gestellt, der offenbar mit einer Ringlehre Kugeln lehrt (Bl. 10a). Wenn — beim Fehlen 
einer Erläuterung — diese naheliegende Deutung richtig ist, dann dürfte hier der erste 
Nachweis des Arbeitens nach Lehren vorliegen, die später in den staatlichen Waffen¬ 
fabriken (z. B. der 1722 gegründeten Gewehrfabrik Spandau-Potsdam) eine ganz neue 
Art der Fabrikarbeit, die Massenfertigung, ermöglichten1 und von da aus später den 
Weg in die Privatindustrie fanden, wo sie alsdann die Grundlage der heutigen Präzisions- 
Massenfabrikation mit Austauschbarkeit der Einzelteile und mit Toleranzen von Tau¬ 
sendstel-Millimetern geworden sind. 
Auf die Zubereitung von Zunder (82, 83, 98, 99), der wohl hauptsächlich für Zwecke der 
Feuerwerkerei in Frage kommt, braucht hier als unwesentlich für Pulver und Waffe nicht 
näher eingegangen zu werden. 
Das Schießen 
(zu 62—65, 68, 71, 76—80, 86, 87, 89—92, 94 - 96) 
An erster Stelle steht hier wieder die Fürsorge für den Menschen, für das Leben des 
Büchsenmeisters. Bei dem häufigen Zerspringen der Rohre wurde erfahrungsgemäß der 
abgerissene Boden nach hinten geschleudert, während die Wandteile seitlich fortflogen, 
also war der sicherste Ort bei einem solchen Ereignis mindestens 10 Schritte schräg seit¬ 
lich hinter dem Geschütz, vorausgesetzt, daß die Zeit zwischen dem Anzünden des Pul¬ 
vers und dem Abschuß genügte, um dorthin zu kommen. Ein Hilfsmittel dazu war das 
nicht nur auf das Zündpulver und Zündloch, sondern auch längs auf das Geschütz ge¬ 
streute „träge Anzündpulver44 (62, 63), das dann natürlich so weit wie möglich vom Zünd¬ 
loch entfernt angezündet wurde. 
Außerdem werden hier Angaben gemacht, die es ermöglichen, sich die zeitraubenden 
Arbeiten bis zum Schuß vorzustellen: Durch wischen und Säubern des Rohres; Abwiegen 
der Kugel und, wenn nicht die Ladeschaufel mit Meßstrichen entsprechend dem Kugel¬ 
gewicht eingerichtet war, auch des Pulvers im Verhältnis 9:1; Einführen des Pulvers in 
den Pulversack mit der Ladeschaufel; Reinigen des Rohrs von verschüttetem Pulver; Ein¬ 
schlagen des Klotzes zum Abschluß des Pulversackes; Einbringen der Kugel in den Lauf; 
Zentrieren mit Holzkeilen, „verpissen44; Abstemmen der über den Kugeldurchmesser hin¬ 
aus vorstehenden Enden der Keile; Verstopfen, „verschoppen44 der Kugel zwischen den 
Keilen und über die Keile hinweg mit einem wachsgetränkten, zum Seil zusammenge¬ 
drehten Tuch, auch in Ermangelung dessen mit Heu, Stroh oder Lehm; Richten des Ge¬ 
schützes mit der Maßgabe, daß der erste Schuß (Einschießen, Gabeln!) nicht zu hoch geht, 
und Verkeilen auf seiner Bettung; Räumen des Zündlochs mit einem Pfriem, der bis zur 
gegenüberliegenden Wandung auch im Pulver ein Loch macht: Vollfüllen dieses Lochs 
bis zum Zündloch oben mit Zündpulver; Bestreuen des Zündlochs und der Büchse oben 
in der Längsrichtung mit „trägem Anzündpulver44; Anzünden; Fortlaufen 10 Schritt 
1 Vgl. Quellen-Verzeichnis (b). 
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