Volltext: Österreichisch-ungarisches Rotbuch

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Zum Schlüsse sprach Herr Poincare die Überzeugung aus, 
die serbische Regierung werde uns bei der gerichtlichen Unter¬ 
suchung und der Verfolgung eventueller Mitschuldiger das 
größte Entgegenkommen zeigen. Einer solchen Pflicht könne 
sich kein Staat entziehen. 
5. 
Gerent Herr Hoflehner an Graf Berchtold. 
Nisch, 6. Juli 1914. 
Die Nachricht vom entsetzlichen, nur zu wohlgelungenen 
Attentate in Sarajevo rief hier Sensation im vollsten Sinne 
des Wortes hervor. Von Bestürzung oder aber Entrüstung 
war so gut wie nichts zu bemerken, in weitaus vorherrschendem 
Maße kamen nur Empfindungen der Genugtuung, ja der Freude, 
und dies vielfach ganz unverhüllt, ohne jede Zurückhaltung, 
nicht selten in ganz roher Form zum Ausdrucke. Dies gilt 
hauptsächlich für die sogenannten führenden Kreise, die 
Intelligenz, wie Berufspolitiker, Lehrpersonen, Beamte, Offi¬ 
ziere und die Studentenschaft. Etwas zurückhaltender zeigte 
sich noch die Kaufmannschaft. 
Alle Erklärungen, die seitens serbischer amtlicher Stellen 
oder einzelner höherer Persönlichkeiten abgegeben wurde'n 
und die Entrüstung über das Attentat und dessen Verurteilung 
zum Ausdruck bringen sollen, müssen als bitterste Ironie auf 
den wirken, der Gelegenheit hatte, in den jüngst verflossenen 
Tagen in nächster Nähe Einblicke in das Gefühlsleben der 
serbischen intelligenten Bevölkerung zu gewinnen. 
Der Gefertigte hatte am Tage des Attentates gegen 9 Uhr 
abends ohne Ahnung noch vom Geschehenen ein hiesiges 
Gartenkaffee besucht und wurde hier zuerst von einem Be¬ 
kannten über das ganz bestimmt aufgetretene Gerücht in 
Kenntnis gesetzt. Es war eine Pein sondergleichen zu beob¬ 
achten und zu hören, wie eine förmlich fröhliche Stimmung 
die zahlreichen Gäste des Lokales erfaßt hatte, mit welcher 
ersichtlichen Genugtuung man über die Tat debattierte und 
wie Ausrufe der Freude, des Hohnes und Spottes aufflatterten
	        
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