Volltext: Der Bauernkrieg in Oberösterreich

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noch feucht vom genossenen Weine, an den Altar des Herrn, 
um das heilige Meßopfer zu feiern--). 
Die Einsicht des Bischofs kam aber sehr spät; schon lange 
Jahre vorher hatten die Stände von Oberösterreich sich bei Kaiser 
Maximilian I. darüber beklagt, daß die Pfarrer die Leute mit der 
Stolgebühr überhalten, Weinschänken haben und in selben Hoch 
zeiten abhalten lassen: dem Auftrage des Kaisers, diese 
Uebelstände abzustellen, kam Bischof Wiguleus nicht 
nach, so daß der Kaiser ihm im Jähre 1510 sein hohes Miß 
fallen ausdrückte und gemessenen Auftrag zukommen ließ^). 
Es war daher kein Wunder, daß die Zügellosigkeit immer 
mehr wuchs, wie denn nach dem Zeugnisse des Bischofs Wiguleus 
selbst im Jähre 1515 ein Konventbruder des Zisterzienserklosters 
Engelszell bei nächtlicher Weile einen Totschlag begingt). 
Dieselben Bischöfe mußten im Jahre 1524 bekennen, daß 
die Lehre Luthers nicht zum wenigsten dem verdorbenen Leben 
und den schlechten Sitten der katholischen Geistlichkeit ihren Ur 
sprung verdanke^). Diese kümmerte sich im Ennstal so wenig 
um die Seelsorge, daß viele Bauern nicht einmal das Vater 
unser herzusagen vermochten^) und im Jähre 1538 unterließ 
der Abt von Engelszell von Ostern bis in den Oktober hinein 
die Abhaltung des gestifteten Gottesdienstes in der Zukirche 
St. Egidi, weil ihm der Bistumsverweser den Zehent gesperrt 
hatte?-). 
Es bedurfte demnach tatsächlich kaum des Anstoßes durch 
die taktlose Art, mit welcher der Ablaßprediger Johann Tetzel 
den Satz: „Sobald das Geld im Kästen klingt, die Seele aus dem 
Fegefeuer springt!" wenn auch nicht den Worten, so doch dem 
Inhalte nach predigte--), zum Beginne der Kirchenreformation: noch 
weniger ist es zu verwundern, wenn die durch ihre geistlichen Hirten 
ebenfalls bedrückten Bauern sich die Lehre Luthers von ^ „evan 
gelischen Freiheit" wörtlich auslegten und nicht bloß die Ver 
kündigung des „reinen" Wortes Gottes nach Sage der Evan 
gelien, sondern auch Mäßigung oder Aufhebung der neu aufge 
brachten, oder ihnen unbillig scheinenden Herrenforderungen ver 
langten. Es ist leicht zu begreifen, daß unter solchen Berhält- 
nissen in kurzer Zeit sich fast die gesamte Bevölkerung der Städte 
und des flachen Landes der neuen Lehre zuwandte und die welt 
lichen Stände (d. i. Herren und Ritter, dann die sieben landes 
fürstlichen Städte Linz, Steyr, Wels, Freistadt, Gmunden, Enns 
und Vöcklabruck) begehrten, daß „das heilige Evangelium lauter 
und ohne einigen Zusatz" gepredigt werde. 
Die beiden ersten Bauernaufstände. 
Zündstoff war zur Genüge vorhanden; die übermäßige 
H e g u n g d e s W i l d e s, namentlich in den Revieren des Kaisers 
Maximilian I., brachte die Bauern, die ihre Gründe nur durch
	        
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