Volltext: Der gotische Flügelaltar zu Kefermarkt

dieser kostbaren Kleidung ist die Figur barfuß, wohl ein Hinweis auf die Schriftstelle : 
quam speciosi pedes evangelizantium bona, evangelizantium pacem. 
Ueber den aus einem einzigen Stück geschnitzten, abhebbaren Kopf, diesen charak¬ 
teristischen und doch wieder so individuellen Kopf des hl. Petrus etwas zu sagen scheint 
fast unmöglich. Schon Stifter1) findet nicht Worte genug, die Schönheit, Kraft und Wür¬ 
digkeit, aber auch Einfachheit und Anspruchslosigkeit dieses Kopfes hervorzuheben. Da 
hat der Meister des Kefermarkter Altares sein ungewöhnliches Talent strahlen lassen. 
Kühn darf die wiederholt von Kennern deutscher Kunst ausgesprochene Anschauung hier 
erwähnt werden: dieses Meisterstück gehört zu den allerbesten in der ganzen deutschen 
Kunstwelt. 
St. Christophorus. Zur Linken des hl. Wolfgang ist der Namenspatron des Er¬ 
bauers der Kirche, der hl. Christophorus, dargestellt (1*90 m hoch), wie Petrus barhaupt 
und barfuß (T. 4 c). Er schreitet vorsichtig in dem entgegenströmenden Wasser, im heftigen 
Gegenwinde mit seiner schweren Last auf der Schulter, gestützt auf einen knorrigen 
Baumstamm durch den Fluß: die Kleider sind aufgezogen, Wind und Woge schlingen den 
Mantel um den mächtigen, mit wahrem Naturalismus gebildeten Baum und die entblößten 
Füße. Die nicht bedeckten Körperteile: Füße, Hals und Schlüsselbein sind naturgetreu 
geschnitzt. Schwer keuchend vor Anstrengung, in angstvoller Beklommenheit, hält Christoph 
das Jesukindlein mit der Linken an seiner Schulter (T. 9; T. 10 b). Ein leidender Zug liegt 
auf dem unbebarteten Antlitz, das umrahmt ist vom reichen, mit einer Bundschleife zu¬ 
sammengehaltenen Lockenhaar. Mit besonderer Liebe und Sorgfalt ist das Jesukindlein 
durchgeführt. Der flatternde Mantel bildet einen dunklen Hintergrund für das lichte 
Lockenköpfchen. Wohlgeborgen erhebt das Kind die segnende Rechte über dem Haupte 
des Christophorus.2) 
Der Künstler hat sich in diesen 3 Figuren selbst überboten in der monumentalen 
Konzeption, aber auch in der Abwechslung, Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit des 
Details. Christoph muß seine üppigen Haarlocken mit einer Schleife Zusammenhalten, 
damit sie nicht sein sorgenvolles Antlitz verdecken, während St. Wolfgang mit der Infel 
bedeckt ist und der Apostelfürst für sein Haar nicht mehr viel zu sorgen hat. Blätter 
und Laubwerk ranken auf der Konsole unter St. Christoph empor, welche die Erde her¬ 
vorsprossen läßt; balgende, unbekleidete Dämonen deuten auf der Konsole unter Petrus 
den Kampf der Unterwelt gegen die Apostel und ihre Nachfolger an — doch die Pforten 
der Hölle werden sie nicht überwältigen; musizierende Englein des Himmels lobsingen 
dem seligen Bischof: Unterwelt, Erde, Himmel helfen das Meisterwerk zieren. 
Ist Wolfgang als der tatkräftige Kirchenfürst des Mittelalters, Petrus der schlichte 
Fischer, durch seine Gewandung und Insignien als das Oberhaupt der Kirche dargestellt, so 
vertritt Christoph die angestrengt körperlich arbeitende und leiblich dienende Klasse, ist 
einfach gekleidet, hager, muskulös. Ein Vergleich der Stäbe, der Kleidung, des Schmuckes 
(z. B. der Schließe) erweist überall dieselbe stufenweise und ganz sachgemäße Verschie¬ 
denheit; kurz es herrscht eine reiche Abwechslung, es herrschen die wünschenswerten 
Gegensätze und doch eine gewisse Symmetrie an den drei Hauptfiguren. 
Diese drei Standbilder, der Glanzpunkt des ganzen Altares, haben eine Berühmtheit 
erlangt nicht durch Bekleidung, Schmuck und anderes Beiwerk, welche mit sichtlichem 
Fleiße ausgeführt sind, sondern durch ihre wunderschönen Köpfe. Es dürfte schwer fallen 
ausdrucksvollere Gesichter, sprechendere Charaktere der Plastik zu finden. 
9 Stifter, 1. c. S. 305. — 2) Ob nicht der Künstler die Züge des Stifters der Kirche festgehalten 
hat am Christophbilde? Warum bartlos? Das Grabdenkmal seines Sohnes Veit (Abb. 10) zeigt ähnliche 
markante Züge. 
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