Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäölogie. I. Denkmälerkuüde. 
Diese Naturkräfte haben ihre Thätigkeit sofort nach Vollendung des 
Werkes begonnen; dem Zersetzungsprozess kam nachlässige Arbeit fördernd 
entgegen. Das Wort des Evangeliums z. B. von dem Hause, das auf Sand 
gebaut ward, ist begründet durch die babylonische Unsitte, keine eigent 
lichen Fundamente zu graben, sondern nur Sand aufzuschütten; 1 ) infolge 
dessen sprechen die Könige des Zweiströmelandes so oft von dem Verfalle 
alter Bauten. Auch in Ägypten haben die Baubeamten ungeduldiger 
Herrscher viel gesündigt. Häusereinsturz kam sogar in Rom öfter vor. 2 ) 
Im kleinen schadete unsolide oder ungeschickte Arbeit nicht minder, 
z. B. beim Schmieden des Eisens oder dem Guss der Bronze, wo in den 
Höhlungen sich leicht Rotkupfererz bildet. 
Ausser diesen stetigen Ursachen stürmen von Zeit zu Zeit Natur 
katastrophen auf die Werke menschlicher Hand ein. Die Erdbeben, 
denen besonders die von Griechen bewohnten Gegenden ausgesetzt sind, 
haben selbst manchen massiven Steintempel gefällt; keiner menschlichen 
Gewalt wäre es gelungen, die Riesensäulen des olympischen Zeustempels 
zu stürzen und in Trümmer zu schlagen. 3 ) Man erkennt hier, wie einst 
am Tempel von Aigina, das Erdbeben an der regelmässigen Lagerung der 
hingestürzten Bauteile. Der Sturmwind („aquilo impotens“) vermag, wie 
am besten Babylonien zeigt, Holz- und Lehmbauten zu vernichten. Das 
Überfluten der wilden Gebirgswasser hat Olympia teils zerstört, teils mit 
einer Schicht von Kies und Sand überdeckt; dort begegnet auch das sel 
tene Beispiel eines Bergrutsches, welcher die Nordterrasse zerstörte. 4 ) 
Feuersbrünste endlich haben in den Grossstädten Jahr für Jahr Unheil an 
gerichtet; verhängnisvoll für die Kunst war z. B. der Brand des Zeuxippos- 
museums unter Justinian, um nicht zu reden vom neronischen Brande. 
6. Auch wo Menschen selbst an der Zerstörung teilnehmen, wird 
der Nationalökonom gute Gründe finden können. Im Gebrauche sind nun 
einmal alle Gegenstände der Abnützung ausgesetzt und überdies die 
feineren Arbeiten dem Zerbrechen oder mindestens der Beschädigung ihrer 
Form. 5 ) Sogar bei Götterbildern kann man von Abnützung reden, inso 
fern sie durch Liebkosungen, Salben und Ankleben von Votiven entstellt 
wurden. 6 ) 
Die Abnützung oder Beschädigung bedingt aber wieder Ausbesserung 
und Erneuerung. Wir können deren Spuren an vielen Bauten beobachten 
und in Eleusis, wie im Kabirion drei Bauschichten unterscheiden. Über 
haupt dürfte kaum ein Bau, der mehrere Jahrhunderte hindurch benützt 
wurde, in ursprünglichem Zustande zu finden sein. Die Erneuerung er 
streckte sich sogar auf schadhafte Weihgeschenke, welche Pflicht in grie 
chischen Städten den Strategen oblag. 7 ) Gerade ordnungsliebende Männer, 
] ) In Abu-Schahrein (J. of the r. asiatic 
soc. 16, 408) und Chorsabad (Botta, monu- 
ment de Ninive 5, 58). 
2 ) Z. B. Catull. 28, 9. 
3 ) Abb.: Bötticher, Olympia, Tafel zu 
S. 82; vgl. Paus. 2, 7, 1. 
4 ) Karte bei Bötticher, Olympia T. 3 
u. A. 
von einer Statue des Lysipp 
180 f.; Philostr. 
5 ) Z. B. 
Plin. 34 ; 63. 
6 ) Sitte, Gebärden S 
her. 2 p. 290, 7. 
7 ) Athen: Böckh, Staatshaush. II 3 52*. 
321; Pergamon: Inschriften von P. Nr. 18 
Z. 11.
	        
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