16 Klassische Kunstarchäölogie. I. Denkmälerkuüde. Diese Naturkräfte haben ihre Thätigkeit sofort nach Vollendung des Werkes begonnen; dem Zersetzungsprozess kam nachlässige Arbeit fördernd entgegen. Das Wort des Evangeliums z. B. von dem Hause, das auf Sand gebaut ward, ist begründet durch die babylonische Unsitte, keine eigent lichen Fundamente zu graben, sondern nur Sand aufzuschütten; 1 ) infolge dessen sprechen die Könige des Zweiströmelandes so oft von dem Verfalle alter Bauten. Auch in Ägypten haben die Baubeamten ungeduldiger Herrscher viel gesündigt. Häusereinsturz kam sogar in Rom öfter vor. 2 ) Im kleinen schadete unsolide oder ungeschickte Arbeit nicht minder, z. B. beim Schmieden des Eisens oder dem Guss der Bronze, wo in den Höhlungen sich leicht Rotkupfererz bildet. Ausser diesen stetigen Ursachen stürmen von Zeit zu Zeit Natur katastrophen auf die Werke menschlicher Hand ein. Die Erdbeben, denen besonders die von Griechen bewohnten Gegenden ausgesetzt sind, haben selbst manchen massiven Steintempel gefällt; keiner menschlichen Gewalt wäre es gelungen, die Riesensäulen des olympischen Zeustempels zu stürzen und in Trümmer zu schlagen. 3 ) Man erkennt hier, wie einst am Tempel von Aigina, das Erdbeben an der regelmässigen Lagerung der hingestürzten Bauteile. Der Sturmwind („aquilo impotens“) vermag, wie am besten Babylonien zeigt, Holz- und Lehmbauten zu vernichten. Das Überfluten der wilden Gebirgswasser hat Olympia teils zerstört, teils mit einer Schicht von Kies und Sand überdeckt; dort begegnet auch das sel tene Beispiel eines Bergrutsches, welcher die Nordterrasse zerstörte. 4 ) Feuersbrünste endlich haben in den Grossstädten Jahr für Jahr Unheil an gerichtet; verhängnisvoll für die Kunst war z. B. der Brand des Zeuxippos- museums unter Justinian, um nicht zu reden vom neronischen Brande. 6. Auch wo Menschen selbst an der Zerstörung teilnehmen, wird der Nationalökonom gute Gründe finden können. Im Gebrauche sind nun einmal alle Gegenstände der Abnützung ausgesetzt und überdies die feineren Arbeiten dem Zerbrechen oder mindestens der Beschädigung ihrer Form. 5 ) Sogar bei Götterbildern kann man von Abnützung reden, inso fern sie durch Liebkosungen, Salben und Ankleben von Votiven entstellt wurden. 6 ) Die Abnützung oder Beschädigung bedingt aber wieder Ausbesserung und Erneuerung. Wir können deren Spuren an vielen Bauten beobachten und in Eleusis, wie im Kabirion drei Bauschichten unterscheiden. Über haupt dürfte kaum ein Bau, der mehrere Jahrhunderte hindurch benützt wurde, in ursprünglichem Zustande zu finden sein. Die Erneuerung er streckte sich sogar auf schadhafte Weihgeschenke, welche Pflicht in grie chischen Städten den Strategen oblag. 7 ) Gerade ordnungsliebende Männer, ] ) In Abu-Schahrein (J. of the r. asiatic soc. 16, 408) und Chorsabad (Botta, monu- ment de Ninive 5, 58). 2 ) Z. B. Catull. 28, 9. 3 ) Abb.: Bötticher, Olympia, Tafel zu S. 82; vgl. Paus. 2, 7, 1. 4 ) Karte bei Bötticher, Olympia T. 3 u. A. von einer Statue des Lysipp 180 f.; Philostr. 5 ) Z. B. Plin. 34 ; 63. 6 ) Sitte, Gebärden S her. 2 p. 290, 7. 7 ) Athen: Böckh, Staatshaush. II 3 52*. 321; Pergamon: Inschriften von P. Nr. 18 Z. 11.