Volltext: Archäologie der Kunst [6, Hauptbd.] (Hauptb. / 1895)

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Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 
190. Das Altertum kennt, wie das Mittelalter, nur Hausindustrie, 
welche je nach den Lebens- und Yermögensverhältnissen eines Volkes vor 
wiegend von Sklaven oder Frauen, auch von dem Herrn des Hauses aus 
geübt wird, und das professionsmässige Handwerk, dagegen keinen eigent 
lichen Fabrikbetrieb; dadurch ist die geisttötende Massenherstellung nach 
einem Modell von vornherein ausgeschlossen. Die ordinäre Arbeit (Flecht 
werk, Gewebe, grobe Töpferwaaren und Holzarbeiten) verbleibt zum grossen 
Teile der Hausindustrie; der strebsame Gewerbetreibende grübelt also nicht 
über Verbilligung und Beschleunigung seiner Arbeit nach, sondern bemüht 
sich nur um deren Vervollkommnung. Das antike Handwerk ist im grossen 
und ganzen Kunstgewerbe und Luxusindustrie. Jeder einzelne Arbeitende 
bedeutet ausser der mechanischen Arbeitskraft auch eine Summe von er 
lerntem Können, und es ist kein Wunder, dass die Wörter zäxvrj und ars 
Wissenschaft, Handwerke und Künste in dem Gedanken, dass jegliche 
nicht maschinenmässige Arbeit eine Kunst sei, einträchtig umfassen. 
Das Kunsthandwerk sieht sich erst seit der Massenanfertigung billiger 
Waare auf Fürsten und Kapitalisten angewiesen; dagegen fand es einst 
auch in bescheidenen Republiken eine Heimstätte, dank der schönen Sitte, 
dass man den Göttern und Toten Geräte spendete, bei welchen der Künst 
ler, von praktischen Rücksichten frei, seine Gedanken auf die gefällige 
Erscheinung konzentrieren konnte. 1 ) Den Lebenden verdachte es im 
Gegenteil die kleinstädtische Demokratie, wenn sie etwas schöneres hatten, 
als ihre Nachbarn, und die Litteraten eiferten gegen die rgvcpr]. 2 ) Der 
Absatz in der Heimat genügt selten, das Kunstgewerbe zu erhalten. 
Der Handel muss seine Produkte in fremde Länder bringen, während 
ordinäres Zeug selten die Transportkosten und das Risiko des Seeweges 
lohnte. In jedem Lande folglich, wo nicht etwa Gesetze die Einfuhr hin 
derten, wie überstrenge Philosophen wünschten, 3 ) setzt sich die Summe 
der besseren Arbeiten aus einheimischen Fabrikaten, Import und fa<jon- 
nierten Importartikeln (wie z. B. lydische und karische Frauen Elfenbein 
gegenstände bemalen) zusammen. Je nach dem Kulturstande wiegt die 
eine oder die andere Gattung vor, die groben Arbeiten jedoch pflegen, wie 
gesagt, in der Regel einheimisches Fabrikat zu sein; auch darüber herrscht 
Einigkeit, dass die mangelhaften Nachahmungen kunstgewerblicher Arbeiten, 
denen technisches und zeichnerisches Geschick mangelt, im Lande, wo man 
sie jetzt findet, gemacht sind. So viel Vorteile die Ausfuhr dem Hand 
werk bringt, so stört sie doch auch die künstlerische Entwicklung. Der 
Geschmack des Abnehmers muss Berücksichtigung finden; lebt nun letzterer 
in einfacheren Verhältnissen, so wird er seine Mode nicht so oft ändern als 
der civilisierte Landsmann des Fabrikanten. In diesen Fällen kommt es 
vor, dass altmodische Formen für die Ausfuhr beibehalten werden, was 
gegenüber Afrika schon für das alte Ägypten nachgewiesen ist. 4 ) 
! ) S. 27; Schol. Townl. W 702 unter 
scheidet zwischen Dingen des wirklichen 
Gebrauches und Weihgeschenken. 
2 ) Am meisten Material, zum teil recht 
kleinlicher Art, hat Athenaios im 12. Buche 
seiner Deipnosophisten zusammengetragen. 
3 ) Plat. leg. 8, 847 c. 
4 ) Max Müller, Asien und Europa S. 
108 f. A. 1; vgl. Periplus maris Erythr. 6. 
Bei einem gebildeten Volk, wie die Etrusker 
waren, liegt die Sache nicht so klar.
	        
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