168 Klassische Kunstarchäologie. I. Denkmälerkunde. 190. Das Altertum kennt, wie das Mittelalter, nur Hausindustrie, welche je nach den Lebens- und Yermögensverhältnissen eines Volkes vor wiegend von Sklaven oder Frauen, auch von dem Herrn des Hauses aus geübt wird, und das professionsmässige Handwerk, dagegen keinen eigent lichen Fabrikbetrieb; dadurch ist die geisttötende Massenherstellung nach einem Modell von vornherein ausgeschlossen. Die ordinäre Arbeit (Flecht werk, Gewebe, grobe Töpferwaaren und Holzarbeiten) verbleibt zum grossen Teile der Hausindustrie; der strebsame Gewerbetreibende grübelt also nicht über Verbilligung und Beschleunigung seiner Arbeit nach, sondern bemüht sich nur um deren Vervollkommnung. Das antike Handwerk ist im grossen und ganzen Kunstgewerbe und Luxusindustrie. Jeder einzelne Arbeitende bedeutet ausser der mechanischen Arbeitskraft auch eine Summe von er lerntem Können, und es ist kein Wunder, dass die Wörter zäxvrj und ars Wissenschaft, Handwerke und Künste in dem Gedanken, dass jegliche nicht maschinenmässige Arbeit eine Kunst sei, einträchtig umfassen. Das Kunsthandwerk sieht sich erst seit der Massenanfertigung billiger Waare auf Fürsten und Kapitalisten angewiesen; dagegen fand es einst auch in bescheidenen Republiken eine Heimstätte, dank der schönen Sitte, dass man den Göttern und Toten Geräte spendete, bei welchen der Künst ler, von praktischen Rücksichten frei, seine Gedanken auf die gefällige Erscheinung konzentrieren konnte. 1 ) Den Lebenden verdachte es im Gegenteil die kleinstädtische Demokratie, wenn sie etwas schöneres hatten, als ihre Nachbarn, und die Litteraten eiferten gegen die rgvcpr]. 2 ) Der Absatz in der Heimat genügt selten, das Kunstgewerbe zu erhalten. Der Handel muss seine Produkte in fremde Länder bringen, während ordinäres Zeug selten die Transportkosten und das Risiko des Seeweges lohnte. In jedem Lande folglich, wo nicht etwa Gesetze die Einfuhr hin derten, wie überstrenge Philosophen wünschten, 3 ) setzt sich die Summe der besseren Arbeiten aus einheimischen Fabrikaten, Import und fa<jon- nierten Importartikeln (wie z. B. lydische und karische Frauen Elfenbein gegenstände bemalen) zusammen. Je nach dem Kulturstande wiegt die eine oder die andere Gattung vor, die groben Arbeiten jedoch pflegen, wie gesagt, in der Regel einheimisches Fabrikat zu sein; auch darüber herrscht Einigkeit, dass die mangelhaften Nachahmungen kunstgewerblicher Arbeiten, denen technisches und zeichnerisches Geschick mangelt, im Lande, wo man sie jetzt findet, gemacht sind. So viel Vorteile die Ausfuhr dem Hand werk bringt, so stört sie doch auch die künstlerische Entwicklung. Der Geschmack des Abnehmers muss Berücksichtigung finden; lebt nun letzterer in einfacheren Verhältnissen, so wird er seine Mode nicht so oft ändern als der civilisierte Landsmann des Fabrikanten. In diesen Fällen kommt es vor, dass altmodische Formen für die Ausfuhr beibehalten werden, was gegenüber Afrika schon für das alte Ägypten nachgewiesen ist. 4 ) ! ) S. 27; Schol. Townl. W 702 unter scheidet zwischen Dingen des wirklichen Gebrauches und Weihgeschenken. 2 ) Am meisten Material, zum teil recht kleinlicher Art, hat Athenaios im 12. Buche seiner Deipnosophisten zusammengetragen. 3 ) Plat. leg. 8, 847 c. 4 ) Max Müller, Asien und Europa S. 108 f. A. 1; vgl. Periplus maris Erythr. 6. Bei einem gebildeten Volk, wie die Etrusker waren, liegt die Sache nicht so klar.