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Der Krieg der Türkei bis zur Jahreswende 1915/16.
sommer armenische Aufstandsbewegung neue Nahrung erhielt. Im ägyptischen
"°b^s°rbst Grenzgebiets waren die Engländer am Suez-Kanal stehengeblieben;
mehrfach erreichten kleinere türkische Vorstöße den Kanal, ohne aber
Nennenswertes ausrichten zu können. Im I r a ?) hatten die Engländer
im April einen türkischen Angriff abgeschlagen. Während des Sommers
waren sie über Amara bis Kut el Amara vorgedrungen. Durch diese leichten
Erfolge ermutigt, trat der Führer, General Townsend, im November den
Vormarsch auf Bagdad an.
Die türkische Flotte^) hatte, neben der Sicherung des Nachschubs
der 5. Armee im Marmara-Meer gegen die dort eingedrungenen feindlichen
Unterseeboote, im Schwarzen Meer die für die Munitionserzeugung und
für die Eisenbahnen nötigen Kohlentransporte decken müssen, die auf der
Fahrt von dem Kohlenrevier Sunguldak nach Konstantinopel russischen
Angriffen ausgesetzt waren. Dabei hatte sich das Kräfteverhältnis im
Schwarzen Meer stark zuungunsten der Türken verschoben, seit das erste
der drei im Vau befindlichen russischen Großkampfschiffe, die „Imperatriza
Maria", im Sommer 1915 in Dienst gestellt worden war, während auf
türkischer Seite der schnelle Kreuzer „Breslau" (Midilli) für einige
Monate ausfiel, da er auf eine Mine gelaufen und stark beschädigt war.
Andererseits hielt sich die russische Flotte, abgesehen von einer wirkungs-
losen Beschießung des bulgarischen Hafens Varna, seit dem Eintreffen
deutscher Unterseeboote fast ganz zurück.
Sobald im Herbst 1915 Anzeichen des Abzuges der Engländer und
Franzosen von Gallipoli bemerkbar geworden waren, hatte die türkische
Heeresleitung sich neuen Aufgaben zugewendet. Die Unklarheit
über die Haltung Griechenlands hatte Enver Pascha bereits Ende Sep-
tember veranlaßt, starke Kräfte in Thrazien bereitzustellen^), und sie den
Bulgaren als Unterstützung anzubieten. Der Gedanke, zum großen Erfolge
mitzuwirken, stand dabei im Vordergrund. Dahinter aber verbarg sich die
Hoffnung, bei Neuordnung der Balkan-Grenzen auch den europäischen Be-
sitzstand der Türkei wieder zu vergrößern, was allerdings nur auf Kosten
Bulgariens möglich war. Dessen Regierung hatte daher große Bedenken
gegen das Erscheinen türkischer Truppen in den erst 1913 der Türkei ab-
genommenen und von zahlreichen Mohammedanern bewohnten Gebieten.
Am 24. November fand in Orfova eine Aussprache zwischen General
von Falkenhayn und General Enver Pascha statt15). Der deutsche
5) S. 171. — 2) S. 173. — 3) S. 138, 142, 165 und 168 f. — *) S. 189. -
») S. 189.