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Die Front des Oberbefehlshabers Ost bis zum 2. Juli.
25. Mat.
26. Mai.
das Bedürfnis herausgestellt, das befehligende Generalkommando durch
eine höhere Dienststelle zu ersehen. In der Meldung, die der Oberbefehls¬
haber Ost hierüber an die Oberste Heeresleitung erstattete, brachte er be¬
sonders zum Ausdruck, daß General von Lauenstein die bisherigen Ope¬
rationen zur vollen Zufriedenheit geleitet habe. In vierwöchigen ununter¬
brochenen, anstrengenden Märschen und Kämpfen hatten seine Truppen
insgesamt etwa 20 000 Gefangene, 16 Geschütze und 40 Maschinengewehre
eingebracht. Etwa fünfeinhalb deutsche Infanterie- und dreieinhalb Kaval¬
lerie-Divisionen hatten, soweit man wußte, acht bis neun russische Infan¬
terie- und viereinhalb Kavallerie-Divisionen auf sich gezogen.
e) Kämpfe der 10. und Njemen-Armee, 25. Mai bis 2. Juli.
Am 25. Mai übertrug der Oberbefehlshaber Ost dem
General OttovonVelow mit dem Stabe des Armee-Oberkommandos 8
den Befehl über den nunmehr „Rj emen - Armee" genannten Truppen¬
verband nördlich des Rjemen. Dabei war zunächst nur an einen vorüber¬
gehenden Zustand gedacht, der nach Abschluß der Kämpfe an dieser Front
wieder geändert werden sollte. Die Führung der 8. Armee wurde für
diese Zeit dem Kommandierenden General des XL. Armeekorps, General
der Artillerie von Scholtz, übertragen. General von Velow erhielt bei
der Durchfahrt durch Lötzen die mündliche Weisung, das nördlich des
Njemen besetzte Gebiet „möglichst lange zu halten und auszunutzen und
dem Feinde möglichst viel Abbruch zu tun"; falls die jetzige Linie unhaltbar
werde, solle die Armee auf die Grenzstellung ausweichen, die aber erst in
etwa 14 Tagen ausgebaut sein könne; die Festung Libau dürfe nicht ohne
ausdrückliche Genehmigung des Oberbefehlshaber Ost aufgegeben werden.
Als General von Velow am 26. Mai abends in Tilsit den Befehl
übernahm, war auf dem rechten Flügel des Korps Morgen gerade ein
ernster Rückschlag eingetreten, indem die 6. Reserve-Division die starke
Stellung bei Vubje verloren hatte und etwa sechs Kilometer westwärts
zurückgewichen war; sie hatte dabei über 2000 Mann, davon die Mehrzahl
Gefangene, eingebüßt. General von Morgen wollte das Verlorene am
nächsten Tage durch Gegenangriff wiedernehmen. Dabei sollten Teile des
südlich anschließenden Kavalleriekorps Richthofen mitwirken. Aber auch
gegen den Südflügel hatte sich der russische Druck derart verstärkt, daß
bereits General von Lauenstein der 36. Reserve-Division am 24. Mai be¬
sohlen hatte, nötigenfalls nach Westen noch weiter1) auszuweichen und zu¬
gleich Raum zu schaffen für einen Stoß, den nunmehr die 78. Reserve-
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