Volltext: Der Herbst-Feldzug 1914 ; 1. Im Westen bis zum Stellungskrieg, im Osten bis zum Rückzug (5. 1929)

Operation aus Schlesien oder über den Narew? 
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sondern auch die preußischen Provinzen Schlesien und Posen bedrohten. 
Diese Gefahr schätzte man zwar beim Oberkommando der deutschen 8. Armee 
einstweilen nicht sehr hoch ein. Wenn aber die Rarew-Operation nicht mehr 
möglich war und die Unterstützung des verbündeten Heeres — wie es der 
Fall zu sein schien — sich nicht mehr länger aufschieben ließ, dann mußte sie 
von Schlesien und Posen aus erfolgen. So fragte Generalmajor Luden- 
dorff, als Generalstabschef der 8. Armee, am Abend des 10. September 
— noch ohne Kenntnis von der veränderten Lage im Westen — bei der 
Obersten Heeresleitung an, ob für eine in Schlesien zu bildende Armee auf 
weitere Verstärkungen zu rechnen sei. Aus Ostpreußen, das aus mili- 
Mischen und wirtschaftlichen Gründen gehalten werden mußte, könnten zwei 
Armeekorps abgegeben werden. Am 11. September wurde von der in 
östlicher Richtung verfolgenden 8. Armee als erster Teil die Hauptreserve 
der Festung Posen angehalten; sie sollte an die Ostgrenze der Provinz 
Posen zurückbefördert und nach Polen hinein vorgeschoben werden. 
Inzwischen war an der galizifchen Front die Entscheidung zuungunsten 
der Verbündeten gefallen; damit wurde deutsche Hilfe dort noch dringender. 
Am 11. September hatte das ganze österreichisch-ungarische Heer den Rück- 
zug begonnen; der Oberbefehlshaber, Erzherzog Friedrich, wollte den Geg- 
ner nunmehr zunächst am San abwehren^). Hinter diesem von Natur 
starken Abschnitt konnte er hoffen, gestützt auf die große Festung Pschemysl 
und die behelfsmäßig ausgebauten Brückenköpfe von Iaroslau und Sieni- 
awa, die russische Übermacht mindestens vorübergehend aufzuhalten und 
die eigenen Truppen neu zu ordnen. Von einer deutschen Operation über 
den Narew versprach sich aber die verbündete Heeresleitung unter den 
veränderten Verhältnissen keine rechtzeitige Wirkung mehr. Sie sah jetzt in 
der unmittelbaren Unterstützung durch Antransport deutscher Truppen nach 
Galizien die einzig mögliche Hilfe und wurde in diesem Sinne bei der 
deutschen Obersten Heeresleitung vorstellig. Der Bevollmächtigte deutsche 
General im österreichisch-ungarischen Hauptquartier, Generalleutnant Frei- 
hm V. Freytag-Loringhoven, der schon vorher den Wunsch der Verbündeten 
auf Zuführung aktiver deutscher Truppen nach Galizien unterstützt hatte, 
schloß sich dieser Auffassung in. einer Drahtung an die Oberste Heeresleitung 
vom 12. September an. 
Vei der deutschen 8. Armee aber hatte sich die Auffassung darüber, wie >2. septemv-r. 
den Verbündeten zu helfen fei, inzwischen geändert; denn der Erfolg über 
die russische Rjemen-Armee zeigte sich doch weit größer, als man am 
10- September angenommen hatte. Von dieser feindlichen Armee war für 
die nächste Zeit nicht mehr viel zu befürchten, und die in den letzten Tagen 
*) Heeresbefehl vom 11. September 1914, Conrad IV, S. 702.
	        
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