Volltext: Die Grenzschlachten im Westen (1. 1925)

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Der Zweifrontenkrieg und die Stärkeverhältnisse. 
Oder entfernt. Aber auch im Westen bot erst der Rhein eine wirksame Ab¬ 
wehrlinie. Mußte man sich aus ihn zurückziehen, so blieben weite Gebiete 
besten deutschen Landes mit kerndeutscher Bevölkerung ungeschützt. 
Gegen Unternehmungen über See gewährten zwar die schwierigen Wasser¬ 
verhältnisse an der Nvrdseeküste einen natürlichen Schutz; an der viermal 
so langen Ostseeküste aber waren auch Landungen größerer Verbände an 
vielen Stellen möglich. Keine andere Großmacht, ausgenommen vielleicht 
Österreich-Ungarn, das jedoch auf weiten Strecken seiner Grenzen durch 
hohe Gebirgswälle geschützt war, befand sich feindlichen Angriffen gegen¬ 
über in ähnlich ungünstiger Lage wie gerade das Deutsche Reich. 
Solange nicht andere Sicherheiten gegen politische und wirtschaftliche 
Vergewaltigung gesunden waren, konnte diese Ungunst der durch die 
geographische Lage gegebenen Verhältnisse aus die Dauer nur durch 
eine starke Wehrmacht einigermaßen ausgeglichen werden. Daher befand 
sich das Deutsche Reich in der Zwangslage, der Vorbereitung für den 
Krieg besondere Aufmerksamkeit und große Mittel zuwenden zu müssen. 
Diese Notwendigkeit begann in den letzten Jahren vor dem Weltkriege auch 
der überwiegenden Mehrheit unseres Volkes klar zu werden, und selbst 
unsere Gegner haben sie gelegentlich anerkannt. So hat kein anderer als 
der spätere englische Premierminister Lloyd George sich in der Öffentlich¬ 
keit wiederholt in diesem Sinne ausgesprochen» Noch am 1. Fanuar 1914 
hatte er einem Vertreter des Daily Ehroniele erklärt: „Das deutsche Heer 
ist eine Lebensfrage, nicht allein für den Bestand des Deutschen Reiches, 
sondern auch für das nackte Leben und die Unabhängigkeit des Volkes selbst, 
weil Deutschland nun einmal von anderen Nationen umgeben ist, deren 
jede ein etwa ebenso starkes Heer besitzt wie Deutschland selbst. Wir ver¬ 
gessen, daß wir daraus bestehen, über Deutschland zur See eine Über¬ 
legenheit von 60 v. H. zu haben, während Deutschland nicht einmal an¬ 
nähernd diese Überlegenheit Frankreich gegenüber hat und dabei noch mit 
Rußland an seiner Ostgrenze rechnen muß1)." 
Die Verantwortung für die Verteidigung des Reichsgebietes 
lag letzten Endes in den Händen des Kaisers als Bundesfeldherrn. Ein 
besonderer Berater oder eine Reichsbehörde, die in allen Fragen der 
i) Ähnlich hatte sich Lloyd George schon am 28. August 1908 geäußert: „Hier 
sehen Sie Deutschland in der Mitte Europas, auf den Flanken Frankreich und Rußland 
mit Armeen, die größer sind als seine eigene. Fch möchte unsere Freunde, die da meinen, 
daß Deutschland, weil es Furcht vor uns hat, auch wirklich Unheil gegen uns brütet» 
daran erinnern, daß dieses Land ängstlich ist aus Gründen, die unter gleichen Ver¬ 
hältnissen auch uns Furcht einjagen müßten".
	        
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