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Litzmann
schungen. Die blitzenden Sternbilder fingen vor unsern Augen
an, in schön geschwungenen Kurven aus und nieder und durcheinan¬
der zu schweben. Und der Marsch wollte kein Ende nehmen! hatten
wir die Richtung verfehlt? Da stießen wir auf die Gräber lieber
Kameraden, die hier vor fünf Tagen gelegentlich unseres Vor¬
marsches gefallen waren, und wußten nun, wir waren auf 3 km
an Brzeziny heran. Um 3 Uhr wurde auf den Höhen südwestlich
der Stadt aufmarschiert und eine lange Schützenlinie entwickelt.
Aus dieser Richtung erwartete uns sicher kein Russe. Der Umgriff
sollte umfassend und überraschend gegen den westlichen Stadtteil
ausgeführt werden. Mit ungeladenen Gewehren wurde angetreten.
Tine feindliche Außenwache wurde mit dem Bajonett nieder¬
gestochen, und wir kamen ohne Schuß in die Stadt. Der Trfolg
belebte noch einmal; es ging vorwärts durch die nächtlichen Straßen.
Rechts und links krachten die Banstüren: Grenadiere und Füsiliere
drangen in die Gebäude und holten die schlafenden Russen heraus.
!ver sich nicht ohne weiteres ergab, wurde lautlos niedergemacht.
Aber am Marktplatz kam es doch noch zu erbittertem Kampf. Der
Russe war endlich erwacht und schoß aus Fenstern und Türen. Tr
wurde überwältigt. Die Häuser um den Marktplatz wurden siegreich
erkämpft.
Doch nun beschloß der Divisionskommandeur, seinen zum Tode
ermatteten Truppen endlich die wohlverdiente Ruhe zu gönnen und
erließ um 5 Uhr morgens den dazu nötigen Befehl. Mochte der
östliche Stadtteil vorläufig noch in Händen des Feindes bleiben; wir
mußteri erst einmal wieder zu Atem kommen. War doch die Truppe
feit 28 Stunden ununterbrochen auf dem Marsch oder in heißem
Gefecht! Sie ging in Massenquartiere rings um den Marktplatz;
Wachen wurden ausgestellt, eine starke Abteilung blieb gefechts¬
bereit bei den Gewehren. Auch der Divisionsstab brachte sich unter,
nachdem einige Offiziere vom Generalstabe des IV. sibirischen Korps
aus den Betten des nämlichen Ouartiers herausgeholt waren. Der
kommandierende russische General war leider entkommen.
An das Generalkommando unseres XXV. Reservekorps wurde
durch Radfahrerpatrouille Meldung entsandt; die Patrouille nahm
für General Graf v. Schweinitz eine der neuen Lage entsprechende
Weisung mit.
Nicht länger als eine Stunde währte die Ruhe. Dann drangen
starke feindliche Kräfte von Süden und Osten her in Brzeziny ein.
Ts kam zu wütenden Straßenkämpfen, bei denen Major Reinhard
sich erneut hervortat. Durch den Kugelregen pirschten sich die
wackeren Pioniere vor in den Gstteil der Stadt und zündeten ihn
an. Die Russen, die sich dort festgesetzt hatten, mußten aus ihren
Schlupfwinkeln heraus und wurden gefangen genommen.
Jm Laufe dieses vormittags kam zu allgemeiner Freude General
v. Friedsburg mit einem Teil seiner 6. Gardebrigade bei Brzeziny