Volltext: Der Weltkrieg in 28 Einzeldarstellungen (1 ; 1921)

Brzeziny 
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Der 2\. November, der fünfte Tag der Lodzer Schlacht, war 
zur Rüste gegangen. Lin sternenklarer Nachthimmel wölbte sich 
über dem flach gewellten polnischen Hügelland, von Südwesten, 
wo in der Gegend von Rzgow die V- Reservedivision als Spitze 
des Reils einen schweren Stand hatte, drang noch Gefechtslärm her¬ 
über. Im Norden, beim XX. Korps, wetterleuchtete Geschützfeuer. 
Der Kommandeur der Gardedivision stand mit seinem Generalstabs¬ 
offizier am Nordausgang von wiskitno. Ihre Blicke waren auf 
Lodz gerichtet, dessen Südrand in Brand geschossen war. Plötzlich 
stieg aus der Stadt eine blutrote Lichtsäule zum Nachthimmel auf, 
ein riesiges, durch Scheinwerfer erzeugtes Fanal. Staunend be¬ 
trachteten es die Männer. Aber, als sie sich umwandten, erblickten 
sie mit noch größerem Staunen im fernen Nordosten, Südostrn und 
Süden gleiche rotleuchtende Säulen! Da erkannten sie, daß die Armee¬ 
gruppe Scheffer umzingelt werden sollte. — Mir hatten die bei Lodz 
stehenden Russen einschließen wollen; nun sollte uns von neu hinzu¬ 
gekommenen Russen dasselbe Los bereitet werden. 
In dieser Lage konnte es nur einen Entschluß geben: unsere 
Anstrengungen zu verdoppeln und mit dem Feind östlich von Lodz 
aufzuräumen, ehe die zu seiner Hilfe herbeieilenden Korps heran 
waren. Leider mußte die 9- Kavalleriedivision aus der Gefechts¬ 
linie der Garde fortgenommen werden, um den Rücken der Armee- 
gruppe zu sichern, und doch lagen vor der Front der Garde die stark 
befestigten und besetzten Dörfer Feliksin und Glechow, die erstürmt 
werden mußten, „vorwärts" war die Losung, koste es, was es 
wolle! 
Der 22. November brach an. Ls war der Totensonntag des 
Jahres \9\% und er entsprach seinem Namen! Tausende von deut¬ 
schen Melden sanken dahin. Die Regimenter der 6. Garde-Infan- 
teriebrigade — Lehr-Regiment und Gardefüsiliers — erstürmen 
Feliksin. Das Dorf Vlechöw wird von der 5. Brigade — 5. Garde¬ 
regiment zu Fuß und 5. Gardegrenadiere — angegriffen. Ls liegt 
^ km breit auf einer Höhe mit glacisartigem Vorfeld und bildet einen 
stumpfen Winkel, dessen «Öffnung uns zugekehrt ist. Der Divisions¬ 
kommandeur sieht, wie seine Schützenlinie 600 m vor dem Dorf sich 
an den Boden anklammert, weil sie in dem Höllenfeuer nicht mehr 
vorwärts kommt. Lr sieht — und das Blut stockt ihm in den Adern — 
wie die Batterie Lancelle im Galopp in und über die Schützenlinie 
hinausfährt. Ist es möglich, daß in diesem Feuerhagel auch nur ein 
Geschütz zum Abprotzen kommt?.Allen sechs glückt es, und sie 
schleudern nun ihr Schnellfeuer gegen den dicht besetzten Dorfrand. 
Jubelndes Hurra der Infanterie erschallt, reißt sie vom Boden auf 
und zu erneutem Ansturm vor: ein wunderbarer Augenblick! Der 
ganze Südwestschenkel des Dorfes wird genommen. 
Aber die Hoffnung, daß uns das XX. Korps entgegenkommen 
würde, erfüllte sich nicht. Zwar hatte es vom Armee-Gberkom-
	        
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