Volltext: Der Weltkrieg in 28 Einzeldarstellungen (1 ; 1921)

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Bloem 
Philosophie in höheren Semestern, derartig grob zu kommen, daß 
ich die Sache im Interesse der Disziplin nicht gütlich schlichten, 
sondern dem Rechte seinen Laus lassen und blutenden Herzens meinen 
Willy zu — vierzehn Tagen Arrest eingeben mußte____ Willy 
war wie vor den Kopf geschlagen. Ich glaube, das vergißt er mir 
sein Leben lang nicht____Und ich? Dem alten Brutus kann es nicht 
anders zu Mute gewesen sein, als er seine Söhne hinrichten ließ ... 
Immerhin: er hat mich's nicht entgelten lassen, wenn er auch 
schwerlich ahnte, wie viel Herzblut mich seine Bestrafung gekostet 
hatte — das eine hat er sicherlich begriffen, daß ich selber erheblich 
mitbestraft wurde, weil ich mich zwei Wochen mit einer Aushilfe be¬ 
gnügen mußte. Er hatte mich zu sehr verwöhnt. 
Zu Neujahr meldete ich mich wieder in die Front, und 
nach etlichem Bitten wurde mir ein dreimonatiges Kommando zu 
meiner alten 5. Division bewilligt. Willy war damals gesundheitlich 
in sehr schlechter Verfassung. Die Rückstände seines Typhus mach¬ 
ten ihm immer noch hart zu schaffen. Tr gehörte von Rechts wegen 
in ein tfeimatfanatorium. Außerdem hatte er sich gelegentlich eine« 
Urlaubs in Berlin verlobt. Ich sagte ihm also: 
„Kerlchen, ich gehe wieder raus. Du aber wirst diesmal nicht 
mitgenommen. Du schaffst es nicht da draußen. Du gehst zurück in 
die Garnison." 
Willy antwortete: „Det jloobt Herr Hauxtmann ja woll selbst 
nich." 
Damit war der Fall erledigt, und wir stießen zusammen wieder 
zu unserm Regiment. Ich wurde zum Kommandeur des zweiten 
Bataillons ernannt. 
Ls zuckt mir in den Fingern, all das Erschütternde und Unge¬ 
heure zu erzählen, das wir zusammen bei der großen Frühjahrsoffen-- 
five erlebt haben. Aber ich darf ja, will ja hier nur von Willy 
erzählen. Und es dürfen nur die Hauptsachen sein, sonst gibt's ein 
Buch und keine „Geschichte". 
wir waren in der Nacht vom 20. zum 2\. März als Division 
des zweiten Treffens in die Aufmarschstellung eingerückt. Am fol- 
genden Morgen brach das Unwetter los: die vor uns kämpfenden 
Badener überrannten die erste und zweite englische Stellung westlich 
St. Quentin. wir rückten nach, wurden aber schon am Morgen 
des zweiten Kampftages zwischen der 28. und der 88. Division in 
die vorderste Linie eingesetzt und mit dem Feinde handgemein. 
Unser Schwesterregiment 52, in Verbindung mit unserm ersten Batail¬ 
lon, stürmte den Holnon-Wald und die dritte englische Stellung- 
In der Nacht vom 22. zum 23. März lagen wir unmittelbar vor der 
vierten Englischen Linie, die wir am folgenden Morgen stürmen 
sollten. Im Morgengrauen hat der Engländer seine letzte Linie ge¬ 
räumt. wir rückten in toller Angriffsstimmung nach, um möglichst 
zugleich mit den feindlichen Nachhuten die Somme zu überschreiten.
	        
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