Ypern
173
über die opferrauchenden Gefilde. Der „Tod von Hpern" hat sein
Merk getan. Ls war abgesehen vom Ende der menschlich tragischeste
Augenblick des Krieges, damals nur von wenigen geahnt und er¬
messen, als Deutschland, um zu leben, seine Zukunft, seine Jugend
in den Tod werfen mußte und es war der stolzesten deutschen
Erlebnisse eins, daß diese deutsche Jugend singend in den Tod
schritt. Begeistert, tatbereit, wie sie sangen: „Hab und Leben Dir zu
geben sind wir allesamt bereit!"
Als ich nach der Gasschlacht im Frühjahr \9\5 zum erstenmal
nach Flandern kam, hatte sich der „Tod von Hpern" in die Trümmer
der Stadt zurückgezogen, Ruhe war an der Flandernfront eingezogen.
Knapp hinter der Linie konnte man im Feld zwischen rotem Mohn und
blauer Zichorie träumen und mit den weißen Molken ostwärts treiben,
der Sehnsucht nach. So ruhig blieb es. Zwei Jahre lang. Nur
selten sprang der zuckende Blitz eines jähen Kampftags aus dem
Gleichmaß der übrigen. Auch die Ruhe freilich ward blutig, dafür
sorgte schon die Eigenart des Geländes. Und der Bogen von Hpern
blieb doch immer ein feindliches Sprungbrett.
* -j-
*
Zm Frühjahr 19!? reckte sich der „Tod von kapern" neu und jäh
empor, gespenstig, riß Hunderte aus berstenden Minenexplosionen
in seinen Arm und führte im Sturmschritt die englischen Regimenter
zum Stoß durch die deutsche Front. Trotz aller Überraschung und
Kraft vergebens! Aber es blieb nur wie ein erstes Atemholen.
Gewitterschwüle lastet über den Geländewellen, umgeistet die pappel¬
gesäumten Straßen, nistet in den Unterständen und Dorftrümmern.
Und raunt ein zerrissenes Lied. Drinnen klingt's wie Tubastöße
drohender Schlachten, drinnen schluchzt es wie das Weinen von
Müttern. Die Heere halten den Atem an, gewärtig neuen Ringens
um das deutsche Schicksal.
Und während der Sommer ins Land geht und verglutet, stöhnt
die Erde Westflanderns unter der Wucht eines Granathagels ohne
Ende und bäumt sich unter dem wilden Müten des Trommelfeuers,
das sieben Schlachten einläutet, die einander von Mal zu Mal über¬
bieten in Glut und Gewalt. Zum zweitenmal steht in Flandern das
Schicksal Deutschlands auf dem Spiel.
Und zugleich das Englands. Denn alle sieben, vom letzten Juli-
tag an schlug der Brite um ein Ziel: Durchbruch. Das bedeutete
strategisch: Vormarsch; einmal in der Richtung der Küste auf Brügge
und Zeebrügge — dort saß die Ubootspest —, und zum andern in
Richtung Antwerpen, Brüssel — das bedeutete Wiederaufnahme des
großen vlans vom Herbst 1$: Aufrollung der Westfront, durch Bel¬
gien zum Rhein!
Dem weitgesteckten Ziel entsprachen die MittelBatterie stand
neben Batterie. Munitionsmengen lagen bereit, die täglich den-