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Schauwecker
in die Nacht, immer Heller wird diese blasse Flamme, bis sie plötz¬
lich über den ganzen Himmel springt und fliegt, ein wilder Tanz
tödlichen Lichtes. Lauter wird die Musik der Ferne: schwere Schläge
pauken, rollender Wirbel grollt, ächzender Krach dröhnt, stößt
und rüttelt die dunkle Luft, daß sie erbebt unter dem Takt der
Musik zu dem Tanz des lautlosen Lichts am Himmel.
Reiner der zahllosen Soldaten weiß, wie die Schlacht vor ihm
steht. Ihm ist nur bewußt, was die Sinne seines Körpers wahr¬
nehmen. was er sieht, das allein kennt er; was er hört, nur das
weiß er; nur was er fühlt, ist ihm bewußt. Und er sieht nur die
dunkle Helmwölbung seines Vordermannes gegen den lichtflatternden
Himmel, er hört nur den anschwellenden Donner des Geschütz¬
bereichs, den eignen hastigen Atem und verworrenes Getrappel
der rastlosen Beine, er fühlt nur die Sohlen seiner Füße, scheuern¬
den Druck des Tornisters, kühle Nachtluft, die Wucht des Stahl¬
helms, Müdigkeit und einen hungrigen Magen. Und ganz unbe¬
stimmt fühlt er, daß da vorn hinter der Schwärze der Nacht etwas
Bedrohliches wartet, das ohne Gnade und Barmherzigkeit ist, mit
eisernen Kehlen brüllt und mit stählernen Klauen packt. Und doch
stockt sein Schritt nicht, zittert er nicht zurück vor dem Mahlen und
Knirschen des Triebwerks, in das er hinein soll. Über der schwarzen
Bedrohlichkeit steht ein Licht, Heller als der springende Glanz des
Todes, ruhiger als der zuckende Schimmer am Himmel. Irgendwo
wacht eine eiskalte, unerschütterliche Besonnenheit, der auch die
heimlichste Bewegung des Feindes nicht entgeht, wacht ein Hirn
und arbeitet eine Hand, die die wirrsten Fäden entwirrt und ordnet,
wacht eine unermüdliche Sorge über jedem Schritt, den er tut, und
bewahr: vor jedem Hinterhalt. Menschenleben sind kostbar; jeden
Tropfen Blutes brauchen die klopfenden Adern des Vaterlandes,
vom Leben des Einzelnen lebt das Leben des Staats. In der
Hand des Feldherrn liegt das Leben der Männer, die hier mar¬
schieren, liegt das Leben des Vaterlandes in ihnen.
Der Geist jenes Feldherren über ihnen allen ist mitten unter
den vormarschierenden Regimentern. Führer von seinem Geist reiten
und marschieren in den Kolonnen, wenn die Stunde kommt, in der
der Tod unter ihnen ist, in der unter seinen kalten Augen jede Hülle
fällt und wert oder Unwert des Mannes sich offenbart, in jener
Stunde sind die Führer Flügel oder Last an den Seelen der Sol¬
daten, die handeln, wie ihre Führer handeln. In tausend feinste
Verzweigungen flutet der große Strom der Verantwortung. Das
Herz des Feldherrn erfüllt er mit dem Druck der Pflicht, das Herz
des letzten Gefreiten reißt er hoch in den Minuten der Entscheidung
um Großes, wie er ist, sind seine Soldaten. Jeder weiß es . . .
So marschieren sie durch die Nacht zur Front, Hoch in die
Lüfte wird die Schlacht jeden von ihnen erheben, jedem von ihnen