Ayesha
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dauernd heulten die Leute und erinnerten uns damit an das nächt¬
liche Schreien von einem Kater und einer Ratze. Dieses nennen näm¬
lich die Menschen dort singen. Unsere Nerven waren auf das höchste
gespannt; ich dachte auch bei mir selbst: „was mag das wohl für
ein Aufzug sein?" Mich dürstete, denn die kleine Menge Reis mit
Wasser, die ich am Morgen zu mir genommen hatte, steigerte den
Durst zur <Vual. Beim Leutnant Gertz und meinem Kameraden war
das auch der Fall, obwohl der Leutnant seine ganze Willenskraft
einsetzte, um standhaft zu bleiben, sah ich ihm an, daß er wie wir
ermattet war zum Umfallen.
Jetzt war der Trupp, der weit über sOO Ramelreiter zählte,
an unsere Wagenburg herangekommen. Der Rapitänleutnant sprang
aus seinem Loch heraus, dem Trupp entgegen, wir hatten alle unsere
Knarren und Pistolen geladen, klar zu schießen, aber dieses Mal
sollte die Sache friedlich abgehen. Liner der entsandten Boten hatte
Dschidda erreicht und die Türken von unserer unangenehmen Lage
benachrichtigt. Da wir uns im Bereich des heiligen Landes be¬
fanden, war es den Türken unmöglich, uns Hilfe zu senden, aber
drahtlich wurde der Scherif von Mekka benachrichtigt, der mit seinen
Leuten nun gekommen war und uns mit der heiligen Fahne vor
diesem Araberpack rettete.
Für uns war es die höchste Zeit gewesen, denn die Munition
neigte sich zu Lüde, außerdem war der Wasservorrat ganz und gar
zur Neige gegangen. Das Bild der Zukunft hatte für uns zwei
Seiten, die eine zeigte uns den Heldentod auf heißer Wüstenerde,
die andere die Heimat, unser Ziel. Nun war es vorbei, wir weilten
als Sieger auf der Walstatt. „Alles raus aus der Deckung," rief
abermals der Kommandant. Am schnellsten begriffen die Araber
die Worte, obwohl die schwarzen Bestien den Befehl wirklich nicht
verstanden hatten. Die Reiter waren von ihren Tieren abgesessen
und banden die wassersäcke, die an jeder Seite der Kamele befestigt
waren, los. Der Kommandant stand abseits und unterhielt sich mit
einem halb europäisch, halb in Araber-Tracht gekleideten Araber,
dem Leibarzt des Scherifs, welcher ein gutes Französisch sprach. Die
heiligen Reiter — alles saubere, weiß gekleidete, schlanke Ge¬
stalten, teilten Wasser aus. In dickem Strahl sogen die Seeleute das
edle Naß ein. Die ermatteten Körper reckten sich und das Auge
bekam einen Hellen Glanz, wir waren wieder die Alten geworden,
das Wasser hatte Wunder getan. Unsere verwundeten hatten auch
einen guten Tag. Der Scherif hatte Verbandzeug und weine für
die armen Kerle mitgesandt. Dr. Lang konnte nun seines Amtes
walten. Die alten, schmierigen Lappen, die man um die wunden
gelegt, um sie vor weiteren Unreinlichkeiten zu schützen, wurden ent¬
fernt und nachdem der gute Dr. Lang die wunden sachgemäß be¬
handelt hatte, verband er sie mit einem blendend weißen verband.
Lin dankbares Lächeln auf den bleichen, versandeten Wangen der
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